Bericht #6 Freitag, 1. September 2017 Heftiger Regen in der Nacht, der Himmel am Morgen verhangen, aber immerhin mit blauen Fetzen. Nach dem Frühstück fahren wir auf den Yellowhead Hwy. Schon nach einigen Kilometern sehen wir ein Schild 'Stand'. Dort gibt's also Gemüse oder Früchte zu kaufen. Von der Strasse aus sieht das Häuschen leer aus und wir fahre daran vorbei. Schon bald kommt auf der andern Seite wieder so ein Schild, und da steht schon ein Auto und es hat Leute. Wir halten an und kommen ins Gespräch mit der Verkäuferin. Sie erzählt, dass sie von Pforzheim kommt. Es hat auch Brot im Regal und wir fragen sie, warum hier alles Brot gummig ist. Sie meint, weil die Kanadier das so wollen, aber ihre Schwägerin sei bestimmt jetzt am Brot backen. Da könnten wir frisches Brot haben, das nicht warm in den Plastiksack gesteckt wurde und somit schwammig sei. Wir sollten doch zu diesem ersten Stand zurück fahren, es hätte bestimmt welches dort. Ok, machen wir, aber da ist kein Brot. Wir wollen schon wieder los fahren, aber da hält neben uns ein Auto und darin sitzt die Pforzheimerin. Sie sagt, ihre Schwägerin sei tatsächlich am backen, ob sie uns ein Brot holen soll. Wir nehmen das gerne an und warten, bis sie wieder mit einem grossen, heissen Kastenbrot zurück kommt. Wieder fangen wir an zu reden und die junge Frau erzählt uns, dass sie ursprünglich aus Russland stammt, aber die ganzen Schulen in Deutschland gemacht hätte. Und dass ihr Deutsch gelitten hätte, weil sie jetzt wieder mehr russisch spricht, wegen ihrem Mann und seiner Familie. Und, und, und. Schliesslich erzählt sie, dass sie ein Haus gebaut hätten und bittet uns, doch mit ihr zu kommen, damit sie es uns zeigen kann. Also fahren wir ihr nach. Dort stehen ein altes, etwas gammliges und ein neues Haus. Aus den Fenstern im alten Haus winken uns etwa 3 Kinder zu. Ja, die hätten eben vorhin noch geschlafen. Im ganzen seien da 7 Kinder. Ich habe im Gepäck kleine Schoggitafeln, die nehme ich mit, als wir ins neue Haus komplimentiert werden. Die Frau erklärt uns alles ganz genau. Sie hätte alles selbst geplant und gezeichnet, damit alles so sei, wie sie sich das wünschte. Sie erzählt und erzählt, inzwischen trippeln nach und nach alle Kinder ins Haus und werden uns vorgestellt. Eigentlich möchten wir schon längst wieder unterwegs sein, aber wir bringen's nicht fertig, sie abzuklemmen. Als wir dann doch sagen, dass wir nun gehen müssten, schreibt sie uns noch sämtliche Namen und Geburtsdaten der ganzen Familie auf. Draussen müssen wir nochmals warten, denn Nadja möchte uns noch ein paar Karotten aus ihrem Garten mit geben. Es wird ein ganzer Sack mit noch mehr als einem Kilo Kartoffeln. Und dann müssen werden wir noch mit Äpfeln beschenkt und wir müssen noch die Schweinerei anschauen, die die früheren Haus- und Landbesitzer hinterlassen haben, es hat kein Ende. Sie ist so im Element mit erzählen, dass wir sie doch abklemmen müssen. Aber... Dadurch, dass wir so lange bei Nadja aufgehalten wurden, sind wir nun zur rechten Zeit am rechten Ort. Kurz nachdem wir los gefahren sind, sehe ich ein Stück weg von der Strasse am Waldrand ein helles Tier. Ich schalte erst nachträglich und sage Ruedi aufgeregt, er solle halten, da sei ein weisser Bär. Wir fahren retour. Inzwischen hat schon ein anderes Auto angehalten und die Leute sind ausgestiegen. Machen wir also auch und rennen zurück. Tatsächlich, da ist er, der weisse Schwarzbär (Kermodei oder Spirit bear, scheinbar sehr selten zu sehen) und sogar mit zwei schwarzen Jungen. Ziemlich lange stehen wir da, fotografieren und freuen uns, dass uns das passiert. Irgendwann rennt ein Jungtier davon. Mutter Bär wird unruhig und beschliesst dann offenbar, dass sie da nach dem Rechten schauen muss und verschwindet auch im Wald, das zweite Junge hinterher. So ist der Zauber vorüber. Glücklich sitzen wir wieder in unseren Camper und fahren nun bis Terrace. Inzwischen ist es angenehm warm und recht freundlich geworden. Wir gehen erst mal einen Kaffee trinken und teilen uns eine Schale Chilisuppe und ein Bagel. Anschliessend fahren wir ins Visitor Centre. Als wir erzählen, dass wir einen weissen Bären gesehen haben, ist die Dame dort ganz erstaunt. Sie hätte jedes Jahr Praktikanten, die immer enttäuscht seien, weil sie keines dieser seltenen Exemplare zu Gesicht bekämen. Es sei wirklich eine Sensation, wenn man einem begegne. Durch unsere ungeplante Verspätung machen wir eine Planänderung und suchen den CG auf, auf welchem wir für die Nacht von Samstag auf Sonntag eine Buchung gemacht haben (es ist Labour Day und somit ein langes Wochenende in Kanada, zudem fängt am Dienstag die Schule wieder an. Ich hatte Angst, dass wir nichts finden, weil alle CGs voll wären). Wir fragen, ob wir schon die heutige Nacht da verbringen könnten, was möglich ist. Inzwischen ist es schon so spät, dass wir den Camper gleich auf dem Platz parken und an Wasser und Strom anschliessen. Wir wollen uns noch die Füsse vertreten, merken aber, dass hier ein Spaziergang nicht wirklich möglich ist. Wir können bloss ein paar hundert Meter laufen und müssen dann dem Highway folgen. Das macht nicht wirklich Spass, so ist es halt nur ein kurzer Spaziergang. Dafür sehen wir unterwegs ein sympathisch wirkendes Restaurant und beschliessen spontan, dass wir heute auswärts nachtessen. Erst mal zurück zum Camper, umziehen und dann wieder hinaus und zum Restaurant. Uff, ist das laut hier drinnen. Obwohl es gar nicht so viel Leute hat, ist doch ein unglaublicher Lärm hier drinn. Da kann man nichts machen, wenigstens werden wir nicht auch noch von Musik beschallt. Die junge Frau, die uns bedient, ist ausserordentlich freundlich. Ruedi bestellt sich Ribs und ich Sandwich mit Salat. Zum voraus teilen wir uns knackig frittierte Blumenkohlröschen an einer koreanischen Sauce. Alles ist super gut. Mit vollem Bauch schlendern wir zurück und schlüpfen unter die Federn. Samstag, 2. September 2017 In der Nacht wieder Regen und so auch am Morgen, also trödeln wir herum. Als es aufklart fahren wir in die Stadt zum Farmer's Market, der auch hier jeweils am Samstag statt findet. Und wen treffen wir da? Den Schwager von Nadja, der Deutsch-Russin. In ihren Haus hängen einige Bilder von der Familie, so dass ich weiss, wie ihr Mann aussieht. Und ich dachte eigentlich, dass er dort steht, aber er erklärt uns, dass er der Bruder ist. Und er, er habe 11 Kinder!! Na ja, jedem das Seine. Lieber er als ich, und wenn seine Frau das mit macht, dann bitte... Der Markt ist nett, aber es hat hier nicht so viel Gemüse, wie auf den anderen und vor allem kein Obst. Schade.. Inzwischen ist es wieder richtig schön. Wir wollen einen Ausflug zu einem See machen, wo es angeblich schöne, ebene Wanderwege gibt. Die Strasse dorthin ist eine Forststrasse und somit nicht geteert. Sie ist aber in so schlechtem Zustand, dass es uns stinkt, 26 Kilometer so zu fahren. Zum Glück ist auf dem Infoblatt noch ein zweiter See nach ca. 11 Kilometer angegeben, auch mit Möglichkeit zum laufen. Also rumpeln wir doch noch 2 km weiter und erreichen einen wunderschönen Ort. Es ist wie gesagt der Samstag vom langen Wochenende. So hat es auch hier, in der absoluten Einsamkeit Camper. Es hat ein paar Stellen am See, wo offiziell Zeltplatz ist, aber ausser einem Plumpsklo gibt es nichts. Aber das macht den Leuten nichts aus. Hier wird auch wild campiert, sogar direkt unter der Hochspannungsleitung, die hier leider durch geht. Wir lassen den Camper stehen und spazieren auf einem herrlich weichen Pfad durch den Wald und umrunden einige Zipfel des Sees. Als wir denken, dass wir vielleicht schon den halben See haben, sagen uns Camper, dass es nun sicher nochmals etwa 1 1/2 Stunden geht. Das ist Ruedi zu viel, also kehren wir um und geniessen die gleiche Strecke noch einmal. Diese Wälder hier sind einfach fantastisch. Ich könnte stundenlang darin umher wandern. Wir fahren zurück durch die 1000en Schlaglöcher und sind froh, als wir wieder auf die geteerte Strasse kommen. Es ist schon ein Unterschied, ob man mit einem normalen Auto oder Offroader, wie in Patagonien, über solche Strassen fährt, oder mit einem zwar sehr potenten Pickup, der aber oben drauf ein Häuschen hat, in dem alles kräftig durch gerüttelt wird. Aber schön war der Ausflug und das ist wichtig. Nun eine schöne Dusche und dann mache ich einen Kartoffel,Zucchetti, Tomaten-Eintopf. Schmeckt fein. So können wir befriedigt unter die Decke. Sonntag, 3. September 2017 Die Sonne strahlt ins Dachfenster und wirft uns aus dem Bett. Heute wollen wir ins Nass Valley. Dort ist der Lava Bed Provincial Park und es hat 4 First Nation Dörfer. Das ganze Gebiet ist heute Eigentum der Nisga'A. Der Highway 113 führt uns durch die peripheren Wohngebiete von Terrace. Es hat schöne Häuser und Grundstücke, die zwar einsam liegen, aber letztlich nicht weiter von der Stadt entfernt sind, als wenn wir bei uns in der Agglo leben. Natürlich ohne ÖV, aber hier ist das Auto eh ein Muss. Das Tal ist sehr breit, aber die Berge sind immer nebenan. Kurz nach dem wunderschönen Kitsumkalum Lake halten wir beim General Store von Rosswood. Vielleicht gibt's einen Kaffee. Irrtum, aber das Sortiment des Ladens verblüfft uns völlig. Hier, in der Pampa (Rosswood ist nicht ein Dorf in dem Sinn, sondern eine über Kilometer verstreute Siedlung, da sieht keiner seinen Nachbarn), ein Laden, der fast nur Biosachen hat. Jene Sorten von Mehl, Getreide von fein bis grob, Quinoa und Buchweizen, Hirse und sogar Sorgum, faire Kaffeebohnen, und, und, und. Wir können's nicht fassen. Hier finde ich sogar einen Bio-Nescafé, der nicht von Nestlé kommt, yipeee. Das muss sofort in unser Sortiment. -- Die Wälder werden jetzt dichter und die Berge kommen näher. Am Lava Lake halten wir an. Der See hat eine eigenartige Farbe. So etwas zwischen grünbraungraublau. Die Ufer sind rötlich, das Wasser voll von Sedimenten von den einfliessenden Bächen. Es hat einen sehr schönen Picknick Platz. Nun wird die Landschaft ganz speziell. Hier gibt es einen relativ kleinen Vulkan, bloss 70 m hoch, der aber vor 270 Jahren gründlich gespuckt hat. Er soll 2 Dörfer und etwa 2000 Nisga'A unter sich begraben haben. Links und rechts von uns ist alles von Lava übergossen, die inzwischen mit Flechten und Moos überwachsen ist. Es sieht sehr speziell aus. Wir halten am Baupré Fall, der sich aber als Fällchen erweist, aber hübsch... Die Lava Gegend begleitet uns über die nächsten 20 km. Das muss ein Wahnsinnsausbruch gewesen sein. Im Visitor Centre machen wir uns schlau. Wir haben eine interessante Unterhaltung mit Harvey, einem Nisga'A, der bis vor 3 Jahren ziemlich lange in Vancouver lebte und mit seiner Familie, vor allem auf Wunsch seiner damals halbwüchsigen Kinder, zurück ins Land kam, wo er aufgwachsen ist. Er erzählt uns einiges über Schule und Ausbildung, Chancen und z.B. auch, dass so ein langes Wochenende genommen wird, um 19 Stunden lang hinunter nach Vancouver zu fahren, dort einzukaufen und dann wieder 19 Stunden zurück zu donnern. Hier oben gibt's eben nicht so viele Möglichkeiten zum einkaufen. Walmart, Safeway und wie sie alle heissen, dann ein paar Kleiderläden, aber die Auswahl ist gering. Und zwischen hier und dort gibt es keine wirklich grosse Stadt. Da reicht auch Prince George offenbar nicht aus, obwohl dort, meiner Meinung nach, so einiges an Läden vorhanden ist. Aber halt nicht 'Grossstadt-Flair'. Wir suchen uns eine Platz auf dem nebenan liegenden CG. Wie immer sehr schön, mitten im Wald. Dann machen wir uns auf, die paar empfohlenen Orte zu besichtigen. Zuerst halten wir in Gitwinksihlkw (es gibt nur die 4 Dörfer der First Nation, keine andern) und gehen über die 120 m lange Fussgängerhängebrücke. Es wackelt ganz schön und der Fluss darunter sieht nicht aus, wie wenn er bademässig wäre. Die Autobrücke weiter vorne, die den Zugang zum Dorf ermöglicht ist auf beiden Seiten von jeweils 2 Totempfählen flankiert. Weil wir nicht sicher sind, was wir morgen machen wollen, beschliessen wir, die 40 km bis nach Laxgalts'ap zu fahren, wo das Museum steht. Nochmals 30 km weiter an der Mündung des Nass in den Portlandkanal (eher ein Fjord) ist noch Gingolx, wo es ein tolles Seafood Restaurant geben soll, das aber wegen den Feiertagen zu sei. So weit wollen wir nicht, aber das Museum wollen wir sehen. Und es hat sich gelohnt. Ein architektonisch tolles Gebäude mit einer sensationellen Ausstellung drinnen. Hier erfahren wir, dass der Highway 113 diese Zahl hat, weil es 113 Jahre gedauert hat, bis die Nisga'A endlich ihr Recht bekamen. 113 Jahre mussten vergehen, bis in mehreren Anläufen ihr Recht auf ihr Land und darauf, sich selbst zu verwalten, endlich bestätigt wurde. Und man stelle sich vor, 14 Jahre nach dem entsprechenden Gerichtsbeschluss versuchte British Columbia diesen rückgängig zu machen, wurde aber glücklicherweise vom Bundesgericht daran gehindert. Es ist also nicht so, dass Kanada es besser gemacht hätte, als die USA. Voll mit Eindrücken fahren wir wieder talaufwärts. Die Lava Bed Hot Springs sind auch noch etwas, das man sehen sollte. Der Weg zu den schwefligen Quellen sind ziemlich sumpfig und wir hüpfen und zirkeln, damit wir nicht allzu matschige Schuhe bekommen. Es ist feucht heiss im Wald und es hat Mücken, tausende, so kommt mir vor. Das 'Becken' in dem die Quellen hoch kommen sieht nicht gerade 'aamächelig aus' auch das ganze Ambient und die Blutsauger machen es uns nicht schwer, auf ein 'Kurbad' zu verzichten. Also nix wie los und weg. Trotzdem war auch dies ein schöner Spaziergang. Nun machen wir noch einen Abstecher ins 4te Dorf, Gitlaxt'aamiks. Hier gibt's nochmals 4 sehr schöne Totempfähle vor dem House of Government und sage und schreibe ein chinesisches Restaurant. Ich gehe hin und schaue, ob es überhaupt geöffnet ist, da steht nämlich nirgends ein Auto und das Dorf ist wie ausgestorben. Aber es ist offen und sieht zudem blitzblank aus, auch wenn da keiner drinn sitzt. Da es schon spät ist und wir seit dem Frühstück nichts gegessen haben, beschliessen wir, es zu wagen und gehen hinein. Und es hat sich gelohnt. Der Besitzer bedient uns sehr freundlich und das Essen, das sein Koch uns zubereitet, ist ausgezeichnet. Noch ein Halt am Flüsschen, wo es Lachse haben soll, wir aber keine sehen, und ab auf den CG. Was für ein reicher Tag.
Zuletzt geändert 2017-09-06 18:07 UTC von 0 (Unterschiede)
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