53 Bericht 06

Bericht #6
Freitag, 1. September 2017

Heftiger Regen in der Nacht, der Himmel am Morgen verhangen, aber immerhin
mit blauen Fetzen. Nach dem Frühstück fahren wir auf den Yellowhead Hwy.
Schon nach einigen Kilometern sehen wir ein Schild 'Stand'. Dort gibt's
also Gemüse oder Früchte zu kaufen. Von der Strasse aus sieht das
Häuschen leer aus und wir fahre daran vorbei. Schon bald kommt auf der
andern Seite wieder so ein Schild, und da steht schon ein Auto und es hat
Leute. Wir halten an und kommen ins Gespräch mit der Verkäuferin. Sie
erzählt, dass sie von Pforzheim kommt. Es hat auch Brot im Regal und wir
fragen sie, warum hier alles Brot gummig ist. Sie meint, weil die Kanadier
das so wollen, aber ihre Schwägerin sei bestimmt jetzt am Brot backen.
Da könnten wir frisches Brot haben, das nicht warm in den Plastiksack
gesteckt wurde und somit schwammig sei. Wir sollten doch zu diesem ersten
Stand zurück fahren, es hätte bestimmt welches dort. Ok, machen wir, aber
da ist kein Brot. Wir wollen schon wieder los fahren, aber da hält neben
uns ein Auto und darin sitzt die Pforzheimerin. Sie sagt, ihre Schwägerin
sei tatsächlich am backen, ob sie uns ein Brot holen soll. Wir nehmen das
gerne an und warten, bis sie wieder mit einem grossen, heissen Kastenbrot
zurück kommt. Wieder fangen wir an zu reden und die junge Frau erzählt uns,
dass sie ursprünglich aus Russland stammt, aber die ganzen Schulen in
Deutschland gemacht hätte. Und dass ihr Deutsch gelitten hätte, weil sie
jetzt wieder mehr russisch spricht, wegen ihrem Mann und seiner Familie.
Und, und, und. Schliesslich erzählt sie, dass sie ein Haus gebaut hätten
und bittet uns, doch mit ihr zu kommen, damit sie es uns zeigen kann.
Also fahren wir ihr nach. Dort stehen ein altes, etwas gammliges und ein
neues Haus. Aus den Fenstern im alten Haus winken uns etwa 3 Kinder zu.
Ja, die hätten eben vorhin noch geschlafen. Im ganzen seien da 7 Kinder.
Ich habe im Gepäck kleine Schoggitafeln, die nehme ich mit, als wir ins
neue Haus komplimentiert werden. Die Frau erklärt uns alles ganz genau.
Sie hätte alles selbst geplant und gezeichnet, damit alles so sei, wie
sie sich das wünschte. Sie erzählt und erzählt, inzwischen trippeln nach
und nach alle Kinder ins Haus und werden uns vorgestellt. Eigentlich
möchten wir schon längst wieder unterwegs sein, aber wir bringen's nicht
fertig, sie abzuklemmen. Als wir dann doch sagen, dass wir nun gehen
müssten, schreibt sie uns noch sämtliche Namen und Geburtsdaten der
ganzen Familie auf. Draussen müssen wir nochmals warten, denn Nadja
möchte uns noch ein paar Karotten aus ihrem Garten mit geben. Es wird
ein ganzer Sack mit noch mehr als einem Kilo Kartoffeln. Und dann müssen
werden wir noch mit Äpfeln beschenkt und wir müssen noch die Schweinerei
anschauen, die die früheren Haus- und Landbesitzer hinterlassen haben,
es hat kein Ende. Sie ist so im Element mit erzählen, dass wir sie doch
abklemmen müssen. Aber...
Dadurch, dass wir so lange bei Nadja aufgehalten wurden, sind wir nun
zur rechten Zeit am rechten Ort. Kurz nachdem wir los gefahren sind,
sehe ich ein Stück weg von der Strasse am Waldrand ein helles Tier. Ich
schalte erst nachträglich und sage Ruedi aufgeregt, er solle halten, da
sei ein weisser Bär. Wir fahren retour. Inzwischen hat schon ein anderes
Auto angehalten und die Leute sind ausgestiegen. Machen wir also auch und
rennen zurück. Tatsächlich, da ist er, der weisse Schwarzbär (Kermodei
oder Spirit bear, scheinbar sehr selten zu sehen) und sogar mit zwei
schwarzen Jungen. Ziemlich lange stehen wir da, fotografieren und
freuen uns, dass uns das passiert. Irgendwann rennt ein Jungtier davon.
Mutter Bär wird unruhig und beschliesst dann offenbar, dass sie da nach
dem Rechten schauen muss und verschwindet auch im Wald, das zweite Junge
hinterher. So ist der Zauber vorüber.
Glücklich sitzen wir wieder in unseren Camper und fahren nun bis Terrace.
Inzwischen ist es angenehm warm und recht freundlich geworden. Wir gehen
erst mal einen Kaffee trinken und teilen uns eine Schale Chilisuppe und
ein Bagel. Anschliessend fahren wir ins Visitor Centre. Als wir erzählen,
dass wir einen weissen Bären gesehen haben, ist die Dame dort ganz erstaunt.
Sie hätte jedes Jahr Praktikanten, die immer enttäuscht seien, weil sie
keines  dieser seltenen Exemplare zu Gesicht bekämen. Es sei wirklich
eine Sensation, wenn man einem begegne.
Durch unsere ungeplante Verspätung machen wir eine Planänderung und suchen
den CG auf, auf welchem wir für die Nacht von Samstag auf Sonntag
eine Buchung gemacht haben (es ist Labour Day und somit ein langes
Wochenende in Kanada, zudem fängt am Dienstag die Schule wieder an. Ich
hatte Angst, dass wir nichts finden, weil alle CGs voll wären). Wir fragen,
ob wir schon die heutige Nacht da verbringen könnten, was möglich ist.
Inzwischen ist es schon so spät, dass wir den Camper gleich auf dem
Platz parken und an Wasser und Strom anschliessen. Wir wollen uns noch
die Füsse vertreten, merken aber, dass hier ein Spaziergang nicht wirklich
möglich ist. Wir können bloss ein paar hundert Meter laufen und müssen
dann dem Highway folgen. Das macht nicht wirklich Spass, so ist es halt
nur ein kurzer Spaziergang. Dafür sehen wir unterwegs ein sympathisch
wirkendes Restaurant und beschliessen spontan, dass wir heute auswärts
nachtessen. Erst mal zurück zum Camper, umziehen und dann wieder hinaus
und zum Restaurant. Uff, ist das laut hier drinnen. Obwohl es gar nicht
so viel Leute hat, ist doch ein unglaublicher Lärm hier drinn. Da
kann man nichts machen, wenigstens werden wir nicht auch noch von
Musik beschallt. Die junge Frau, die uns bedient, ist ausserordentlich
freundlich. Ruedi bestellt sich Ribs und ich Sandwich mit Salat. Zum voraus
teilen wir uns knackig frittierte Blumenkohlröschen an einer koreanischen
Sauce. Alles ist super gut. Mit vollem Bauch schlendern wir zurück
und schlüpfen unter die Federn.



Samstag, 2. September 2017

In der Nacht wieder Regen und so auch am Morgen, also trödeln wir herum.
Als es aufklart fahren wir in die Stadt zum Farmer's Market, der auch hier
jeweils am Samstag statt findet. Und wen treffen wir da? Den Schwager von
Nadja, der Deutsch-Russin. In ihren Haus hängen einige Bilder von der
Familie, so dass ich weiss, wie ihr Mann aussieht. Und ich dachte eigentlich,
dass er dort steht, aber er erklärt uns, dass er der Bruder ist. Und er,
er habe 11 Kinder!! Na ja, jedem das Seine. Lieber er als ich, und wenn
seine Frau das mit macht, dann bitte... Der Markt ist nett, aber es hat
hier nicht so viel Gemüse, wie auf den anderen und vor allem kein Obst.
Schade.. Inzwischen ist es wieder richtig schön. Wir wollen einen Ausflug
zu einem See machen, wo es angeblich schöne, ebene Wanderwege gibt. Die
Strasse dorthin ist eine Forststrasse und somit nicht geteert. Sie ist
aber in so schlechtem Zustand, dass es uns stinkt, 26 Kilometer so zu
fahren. Zum Glück ist auf dem Infoblatt noch ein zweiter See nach ca.
11 Kilometer angegeben, auch mit Möglichkeit zum laufen. Also rumpeln wir
doch noch 2 km weiter und erreichen einen wunderschönen Ort. Es ist wie
gesagt der Samstag vom langen Wochenende. So hat es auch hier, in der
absoluten Einsamkeit Camper. Es hat ein paar Stellen am See, wo offiziell
Zeltplatz ist, aber ausser einem Plumpsklo gibt es nichts. Aber das macht
den Leuten nichts aus. Hier wird auch wild campiert, sogar direkt unter
der Hochspannungsleitung, die hier leider durch geht. Wir lassen den Camper
stehen und spazieren auf einem herrlich weichen Pfad durch den Wald und
umrunden einige Zipfel des Sees. Als wir denken, dass wir vielleicht schon
den halben See haben, sagen uns Camper, dass es nun sicher nochmals etwa
1 1/2 Stunden geht. Das ist Ruedi zu viel, also kehren wir um und geniessen
die gleiche Strecke noch einmal. Diese Wälder hier sind einfach fantastisch.
Ich könnte stundenlang darin umher wandern. Wir fahren zurück durch die
1000en Schlaglöcher und sind froh, als wir wieder auf die geteerte Strasse
kommen. Es ist schon ein Unterschied, ob man mit einem normalen Auto
oder Offroader, wie in Patagonien, über solche Strassen fährt, oder mit
einem zwar sehr potenten Pickup, der aber oben drauf ein Häuschen hat,
in dem alles kräftig durch gerüttelt wird. Aber schön war der Ausflug
und das ist wichtig. Nun eine schöne Dusche und dann mache ich einen
Kartoffel,Zucchetti, Tomaten-Eintopf. Schmeckt fein. So können wir
befriedigt unter die Decke.



Sonntag, 3. September 2017

Die Sonne strahlt ins Dachfenster und wirft uns aus dem Bett. Heute wollen
wir ins Nass Valley. Dort ist der Lava Bed Provincial Park und es hat
4 First Nation Dörfer. Das ganze Gebiet ist heute Eigentum der Nisga'A.
Der Highway 113 führt uns durch die peripheren Wohngebiete von Terrace.
Es hat schöne Häuser und Grundstücke, die zwar einsam liegen, aber letztlich
nicht weiter von der Stadt entfernt sind, als wenn wir bei uns in der Agglo
leben. Natürlich ohne ÖV, aber hier ist das Auto eh ein Muss. Das Tal
ist sehr breit, aber die Berge sind immer nebenan. Kurz nach dem
wunderschönen Kitsumkalum Lake halten wir beim General Store von Rosswood.
Vielleicht gibt's einen Kaffee. Irrtum, aber das Sortiment des Ladens
verblüfft uns völlig. Hier, in der Pampa (Rosswood ist nicht ein Dorf in
dem Sinn, sondern eine über Kilometer verstreute Siedlung, da sieht keiner
seinen Nachbarn), ein Laden, der fast nur Biosachen hat. Jene Sorten von
Mehl, Getreide von fein bis grob, Quinoa und Buchweizen, Hirse und sogar
Sorgum, faire Kaffeebohnen, und, und, und. Wir können's nicht fassen.
Hier finde ich sogar einen Bio-Nescafé, der nicht von Nestlé kommt, yipeee.
Das muss sofort in unser Sortiment. -- Die Wälder werden jetzt dichter
und die Berge kommen näher. Am Lava Lake halten wir an. Der See hat eine
eigenartige Farbe. So etwas zwischen grünbraungraublau. Die Ufer sind
rötlich, das Wasser voll von Sedimenten von den einfliessenden Bächen.
Es hat einen sehr schönen Picknick Platz. Nun wird die Landschaft ganz
speziell. Hier gibt es einen relativ kleinen Vulkan, bloss 70 m hoch, der
aber vor 270 Jahren gründlich gespuckt hat. Er soll 2 Dörfer und etwa
2000 Nisga'A unter sich begraben haben. Links und rechts von uns ist
alles von Lava übergossen, die inzwischen mit Flechten und Moos überwachsen
ist. Es sieht sehr speziell aus. Wir halten am Baupré Fall, der sich aber
als Fällchen erweist, aber hübsch... Die Lava Gegend begleitet uns über
die nächsten 20 km. Das muss ein Wahnsinnsausbruch gewesen sein. Im
Visitor Centre machen wir uns schlau. Wir haben eine interessante Unterhaltung
mit Harvey, einem Nisga'A, der bis vor 3 Jahren ziemlich lange in
Vancouver lebte und mit seiner Familie, vor allem auf Wunsch seiner
damals halbwüchsigen Kinder, zurück ins Land kam, wo er aufgwachsen ist.
Er erzählt uns einiges über Schule und Ausbildung, Chancen und z.B. auch,
dass so ein langes Wochenende genommen wird, um 19 Stunden lang hinunter
nach Vancouver zu fahren, dort einzukaufen und dann wieder 19 Stunden
zurück zu donnern. Hier oben gibt's eben nicht so viele Möglichkeiten
zum einkaufen. Walmart, Safeway und wie sie alle heissen, dann ein paar
Kleiderläden, aber die Auswahl ist gering. Und zwischen hier und dort
gibt es keine wirklich grosse Stadt. Da reicht auch Prince George offenbar
nicht aus, obwohl dort, meiner Meinung nach, so einiges an Läden vorhanden
ist. Aber halt nicht 'Grossstadt-Flair'. Wir suchen uns eine Platz auf
dem nebenan liegenden CG. Wie immer sehr schön, mitten im Wald. Dann
machen wir uns auf, die paar empfohlenen Orte zu besichtigen. Zuerst
halten wir in Gitwinksihlkw (es gibt nur die 4 Dörfer der First Nation, keine
andern) und gehen über die 120 m lange Fussgängerhängebrücke. Es wackelt
ganz schön und der Fluss darunter sieht nicht aus, wie wenn er bademässig
wäre. Die Autobrücke weiter vorne, die den Zugang zum Dorf ermöglicht
ist auf beiden Seiten von jeweils 2 Totempfählen flankiert. Weil wir nicht
sicher sind, was wir morgen machen wollen, beschliessen wir, die 40 km
bis nach Laxgalts'ap zu fahren, wo das Museum steht. Nochmals 30 km
weiter an der Mündung des Nass in den Portlandkanal (eher ein Fjord) ist
noch Gingolx, wo es ein tolles Seafood Restaurant geben soll, das aber
wegen den Feiertagen zu sei. So weit wollen wir nicht, aber das Museum
wollen wir sehen. Und es hat sich gelohnt. Ein architektonisch tolles
Gebäude mit einer sensationellen Ausstellung drinnen. Hier erfahren wir,
dass der Highway 113 diese Zahl hat, weil es 113 Jahre gedauert hat, bis
die Nisga'A endlich ihr Recht bekamen. 113 Jahre mussten vergehen, bis
in mehreren Anläufen ihr Recht auf ihr Land und darauf, sich selbst zu
verwalten, endlich bestätigt wurde. Und man stelle sich vor, 14 Jahre
nach dem entsprechenden Gerichtsbeschluss versuchte British Columbia diesen
rückgängig zu machen, wurde aber glücklicherweise vom Bundesgericht daran
gehindert. Es ist also nicht so, dass Kanada es besser gemacht hätte,
als die USA. Voll mit Eindrücken fahren wir wieder talaufwärts. Die Lava
Bed Hot Springs sind auch noch etwas, das man sehen sollte. Der Weg zu
den schwefligen Quellen sind ziemlich sumpfig und wir hüpfen und zirkeln,
damit wir nicht allzu matschige Schuhe bekommen. Es ist feucht heiss im
Wald und es hat Mücken, tausende, so kommt mir vor. Das 'Becken' in dem
die Quellen hoch kommen sieht nicht gerade 'aamächelig aus' auch das ganze
Ambient und die Blutsauger machen es uns nicht schwer, auf ein 'Kurbad'
zu verzichten. Also nix wie los und weg. Trotzdem war auch dies ein
schöner Spaziergang. Nun machen wir noch einen Abstecher ins 4te Dorf,
Gitlaxt'aamiks. Hier gibt's nochmals 4 sehr schöne Totempfähle vor dem
House of Government und sage und schreibe ein chinesisches Restaurant.
Ich gehe hin und schaue, ob es überhaupt geöffnet ist, da steht nämlich
nirgends ein Auto und das Dorf ist wie ausgestorben. Aber es ist offen
und sieht zudem blitzblank aus, auch wenn da keiner drinn sitzt. Da es
schon spät ist und wir seit dem Frühstück nichts gegessen haben,
beschliessen wir, es zu wagen und gehen hinein. Und es hat sich gelohnt.
Der Besitzer bedient uns sehr freundlich und das Essen, das sein Koch uns
zubereitet, ist ausgezeichnet. Noch ein Halt am Flüsschen, wo es Lachse
haben soll, wir aber keine sehen, und ab auf den CG. Was für ein reicher Tag.