Eine stürmische Nacht war das wohl. Der Wind pfiff nur so um die Ecken und peitschte den Regen an die Fenster. Wenn man so in einem Zimmer mit Ausblick sitzt, ist das ja ganz interessant und beeindruckend. Aber, wenn ich denke, dass wir diese Nacht in unserem WoMo verbracht hätten, dann wird mir schon 'gschmuch'. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das sich angefühlt hätte. Ganz sicher nicht kuschlig, wie wenn einfach Regen auf das Dach prasselt. Offenbar war aber das, was wir mitbekommen haben, erst der Vorläufer von Fiona. Gemäss den Berichten hier, traf der Sturm erst wirklich im Osten 'auf Land' und dort dann aber gewaltig. Windge- schwindigkeiten von 140 bis 170 km und Regenmengen zwischen 100 und 190 mm. In Halifax hat's wohl ein paar Bäume abgeknickt oder entwurzelt, viele Äste lagen am Boden, einzelne Gegenden oder Strassenzüge hatten einige Stunden keinen Strom, aber das ist nichts im Vergleich mit Cape Breton Island. Dort waren etwa 350'000 Bewohner längere Zeit ohne Strom, Strassen sind stark beschädigt bis zerstört und ich weiss nicht wie viele Bäume die Strassen blockierten. Sie sprechen hier jedenfalls davon, dass dieser Sturm alle Rekorde von Nova Scotia gebrochen hat und nicht so schnell vergessen sein wird. Eines ist sicher, wir haben das Richtige gemacht, auch wenn es ärgerlich ist. Unser Hotel ist tiptop und wir haben mehrmals sehr gut gegessen (nicht im Hotel). Heute morgen pfeift der Wind immer noch mächtig durch die Strassen, aber es hat schon bald blaue Fetzen am Himmel. Mit den Vorräten aus dem Camper machen wir uns ein Frühstück. Brot, das, obwohl ungetoastet, gar nicht mal so schlecht ist, dazu Butter und Käse und ein Kaffee aus der zimmereigenen Kaffee- maschine. Auch der ist nicht übel. Im Hotel gibt es kein Internet, so können wir nicht schauen, ob auf der Homepage der Art Gallery etwas über die Öffnungszeiten steht. Aber bestimmt ist sie zu. Die Angestellte am Empfang unten versucht anzurufen, aber da läuft nur ein Tonband, das aber nichts über die spezielle Situation sagt. Also machen wir uns auf den Weg, es ist ja nicht weit weg von hier. Der Wind ist ganz schön kalt, sogar mit unseren Jacken ist uns ein wenig fröstlig. Das Museum hat natürlich geschlossen, war zu erwarten. Ein simpler Zettel am Ein- gang besagt, dass das Haus wegen des Sturms am Samstag geschlossen bleibt. Na, da haben wir ja die Hoffnung, dass wir morgen diesen Besuch nach- holen können. Wir gehen hinunter an die Waterfront. Wir sind keineswegs die einzigen. Und nicht wenige in kurzen Hosen und/oder im Z-Shirt. Die spinnen, die Kanadier. Sieht man ja auch, wenn sie kurzämlig und kurz behost oder berockt im Restaurant, oder an andern Orten, arbeiten, mit voll aufgedrehter Klimaanlage, während draussen bloss etwa 20° oder so herrschen. Also die Klima läuft völlig grundlos. Aber die hocken einfach gerne im Kühlschrank. Jedenfalls sind viele Leute unterwegs, die einen wohl wie wir, zum an die frische Luft gehen, vielleicht auch zum schauen, wie es aussieht nach dem Sturm. Aber viele sind auch offensichtlich auf der Suche nach einem offenen Café, Restaurant oder so. Die einzigen, die offen haben, sind Pizza Shops und dort wird Schlange gestanden. Irgend- wann sind wir genug gewandert und wollen umkehren, da fällt uns ein indisches Restaurant auf, bei dem Leute ein und aus gehen. Warum nicht indisch essen, ist ja schon halb zwei. Also nix wie rein. Drinnen sieht es ein bisschen eigenartig aus. Die meisten Tische sind besetzt von Indern, aber ohne dass man das Gefühl hat, dass die hier essen wollen. Wir setzen uns an einen Tisch und warten mal ab. Scheinbar warten die meisten hier auf ihr Take Away Essen. Irgendwann gehe ich zur Kasse und frage, wie das nun ist. Nein, nein, hier könne man auch essen. Sie käme gleich. Nach weiteren 10 Minuten kommt die Frau von der Kasse und fragt nach unseren Wünschen. Ruedi bestellt ein Lamb Curry und ich ein Chicken Curry und zwar 'kanadische Schärfe', wie uns die Bedienung empfiehlt. Nun dauert es zwar nochmals ein Zeitchen, aber dann werden wir mit super gutem Essen belohnt. Auch die Schärfe stimmt. Mehr wäre uns zu scharf gewesen. Befriedigt marschieren wir nun wieder zurück ins Hotel und verbringen den Spätnachmittag und Abend mit Lesen und, nachdem auch das Internet wieder da ist, mit ein paar Episoden einer Doku, der wir zu Hause folgen und die wir hier nun doch einige Wochen vermisst haben. Irgendwann ruft das Bett. Wir hören den Wind draussen immer noch, aber kein Vergleich zur Nacht.
Der heutige Morgen beginnt strahlend, Himmel und Meer streiten, wer das schönere Blau hat. Ich kann es nicht sagen. Es sieht fantastisch aus. Wir beschliessen, nach draussen zu gehen und zu schauen, ob wir heute irgendwo ein Frühstück bekommen. Viele Leute sind unterwegs. Spaziergänger, Jogger oder solche wie wir, die auch auf der Suche nach Futter sind. In einem Gebäude, das verschiedene Souvenir Läden beherbergt, ist auch eine Kaffeebar und zwar eine, die den Namen verdient. Ich bekomme einen feinen Cappuccino und Ruedi einen Espresso, dazu jeder ein Bagel. Mmmhh, fein. Wir setzen uns draussen an einen Tisch in der Sonne und geniessen. Dann wieder husch in das Gebäude, ich bin ja immer noch auf der Suche nach Mitgebringsel. Hier ist das Angebot wesentlich besser als an all den Top-Touri-Orten, an denen wir waren. Wieder draussen flanieren wir noch weiter, längst haben wir Jacken und Sweatshirt ausgezogen und sind nun etwas behindert mit allem, was wir herum tragen. In einem der Geschäfte hatte ich nachgefragt, ob und wo man denn hier eventuell Birkensirup bekäme. In ganz Nova Scotia habe ich bisher nur Maple Sirup gesehen. Eine Angestellte hat mir zwei Läden angegeben, wo ich vielleicht fündig würde. Erst mal gehen wir aber nochmals zur Art Gallery. Schliesslich stand da gestern nichts von heute, aber es war wieder alles zu. Nicht mal eine klitzekleine Info. Das finden wir ziemlich schwach. An der Front unten gibt es auch eine Markthalle, in der jeweils Samstags und Sonntags ein Farmers Market, mit ganz vielen Anbietern von Gemüse etc., aber auch mit Kunsthandwerk und ich weiss nicht was allem. Die haben auf ihrer Website geschrieben, dass der Samstag geschlossen bleibt wegen des Sturms und der Sonntag zum Aufräumen, ev. Putzen oder so auch zu bleibt. Das ärgert mich enorm, da ich mich sehr auf diesen Markt gefreut hatte. Aber ich kann das schon verstehen. Auch wenn es hier nichts aufzuräumen gibt, so sieht es vielleicht auf den Bauernhöfen, die ich weiss nicht wo sind, anders aus und die brauchen vielleicht wirklich Zeit zum Ordnung machen. Wir tippeln also noch ein Stück, finden die angegebenen Läden, wovon der eine vielversprechend aussieht, aber beide sind zu, wie könnte es auch anders sein. Also machen wir uns via Halifax Citadel, einen grünen Hügel mit Zitadelle, auf den Rückweg ins Hotel. Wir ruhen uns einen Moment aus und machen uns dann wieder auf die Socken Richtung Fährterminal. Diesmal habe ich den richtigen Rucksack dabei, damit wir keine Jacken tragen müssen. Wir wollen hinüber nach Dartmouth. Wir geniessen den Fahrtwind und die Aussicht zurück auf Halifax, aber in Dartmouth gibt es genau nichts. Kein Kaffee, kein Restaurant, ziemlich öde. Da wir am Morgen schon viel gelaufen sind und mir wieder einmal alles weh tut, fahren wir mit der nächsten Fähre wieder zurück und gehen noch etwas trinken. Inzwischen hat es am Schatten ziemlich abgekühlt und wir sind froh, dass wir die Jacken dabei haben. Gestern haben wir bei unserer ersten Tour ein spanisches (autentico español steht angeschrieben) Restaurant entdeckt. Dort wollen wir später nachtessen, aber jetzt ist es noch zu früh. Deshalb zurück ins Hotel, ein wenig die Füsse hoch legen und gegen 6 Uhr machen wir uns zum dritten Mal auf den Weg an die Waterfront. Im Restaurant realisieren wir, dass das Angebot nur mässig 'spanisch' ist, aber der bestellte Fisch und die 'patatas bravas' sind echt gut, genauso wie der weisse Rioja, den wir dazu trinken. Natürlich war es wieder zu viel, aber so gut, dass wir kaum etwas übrig liessen. Nun sind wir wieder im Zimmer, ich schaue, dass Ihr über unser Wohlbefinden informiert seid und Ruedi versucht, seinen kaputten E-Reader auseinander zu nehmen. Ohne Erfolg. Übrigens, mein Schrittzähler zeigt 21700 Schritte an, alles auf Teer, kein Wunder, dass alles schmerzt. Guet Nacht, morgen müssen wir packen, da wir ins Hotel am Flughafen zügeln.
Zuletzt geändert 2022-09-26 01:33 UTC von info f532a7x0 (Unterschiede)
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