56 Bericht 015

24. 9.2022 Halifax nach dem Sturm

Eine stürmische Nacht war das wohl. Der Wind pfiff nur so um die Ecken
und peitschte den Regen an die Fenster. Wenn man so in einem Zimmer mit
Ausblick sitzt, ist das ja ganz interessant und beeindruckend. Aber,
wenn ich denke, dass wir diese Nacht in unserem WoMo verbracht hätten,
dann wird mir schon 'gschmuch'. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das
sich angefühlt hätte. Ganz sicher nicht kuschlig, wie wenn einfach Regen
auf das Dach prasselt. Offenbar war aber das, was wir mitbekommen haben,
erst der Vorläufer von Fiona. Gemäss den Berichten hier, traf der Sturm
erst wirklich im Osten 'auf Land' und dort dann aber gewaltig. Windge-
schwindigkeiten von 140 bis 170 km und Regenmengen zwischen 100 und 190 mm.
In Halifax hat's wohl ein paar Bäume abgeknickt oder entwurzelt, viele
Äste lagen am Boden, einzelne Gegenden oder Strassenzüge hatten einige
Stunden keinen Strom, aber das ist nichts im Vergleich mit Cape Breton
Island. Dort waren etwa 350'000 Bewohner längere Zeit ohne Strom,
Strassen sind stark beschädigt bis zerstört und ich weiss nicht wie
viele Bäume die Strassen blockierten. Sie sprechen hier jedenfalls davon,
dass dieser Sturm alle Rekorde von Nova Scotia gebrochen hat und nicht
so schnell vergessen sein wird. Eines ist sicher, wir haben das Richtige
gemacht, auch wenn es ärgerlich ist. Unser Hotel ist tiptop und wir
haben mehrmals sehr gut gegessen (nicht im Hotel). Heute morgen pfeift
der Wind immer noch mächtig durch die Strassen, aber es hat schon bald
blaue Fetzen am Himmel. Mit den Vorräten aus dem Camper machen wir uns
ein Frühstück. Brot, das, obwohl ungetoastet, gar nicht mal so schlecht
ist, dazu Butter und Käse und ein Kaffee aus der zimmereigenen Kaffee-
maschine. Auch der ist nicht übel. Im Hotel gibt es kein Internet, so
können wir nicht schauen, ob auf der Homepage der Art Gallery etwas
über die Öffnungszeiten steht. Aber bestimmt ist sie zu. Die Angestellte
am Empfang unten versucht anzurufen, aber da läuft nur ein Tonband, das
aber nichts über die spezielle Situation sagt. Also machen wir uns auf
den Weg, es ist ja nicht weit weg von hier. Der Wind ist ganz schön
kalt, sogar mit unseren Jacken ist uns ein wenig fröstlig. Das Museum
hat natürlich geschlossen, war zu erwarten. Ein simpler Zettel am Ein-
gang besagt, dass das Haus wegen des Sturms am Samstag geschlossen bleibt.
Na, da haben wir ja die Hoffnung, dass wir morgen diesen Besuch nach-
holen können. Wir gehen hinunter an die Waterfront. Wir sind keineswegs
die einzigen. Und nicht wenige in kurzen Hosen und/oder im Z-Shirt. Die
spinnen, die Kanadier. Sieht man ja auch, wenn sie kurzämlig und kurz
behost oder berockt im Restaurant, oder an andern Orten, arbeiten, mit
voll aufgedrehter Klimaanlage, während draussen bloss etwa 20° oder so
herrschen. Also die Klima läuft völlig grundlos. Aber die hocken einfach
gerne im Kühlschrank. Jedenfalls sind viele Leute unterwegs, die einen
wohl wie wir, zum an die frische Luft gehen, vielleicht auch zum schauen,
wie es aussieht nach dem Sturm. Aber viele sind auch offensichtlich auf
der Suche nach einem offenen Café, Restaurant oder so. Die einzigen, die
offen haben, sind Pizza Shops und dort wird Schlange gestanden. Irgend-
wann sind wir genug gewandert und wollen umkehren, da fällt uns ein
indisches Restaurant auf, bei dem Leute ein und aus gehen. Warum nicht
indisch essen, ist ja schon halb zwei. Also nix wie rein. Drinnen sieht
es ein bisschen eigenartig aus. Die meisten Tische sind besetzt von
Indern, aber ohne dass man das Gefühl hat, dass die hier essen wollen.
Wir setzen uns an einen Tisch und warten mal ab. Scheinbar warten die
meisten hier auf ihr Take Away Essen. Irgendwann gehe ich zur Kasse
und frage, wie das nun ist. Nein, nein, hier könne man auch essen. Sie
käme gleich. Nach weiteren 10 Minuten kommt die Frau von der Kasse und
fragt nach unseren Wünschen. Ruedi bestellt ein Lamb Curry und ich ein
Chicken Curry und zwar 'kanadische Schärfe', wie uns die Bedienung
empfiehlt. Nun dauert es zwar nochmals ein Zeitchen, aber dann werden
wir mit super gutem Essen belohnt. Auch die Schärfe stimmt. Mehr wäre
uns zu scharf gewesen. Befriedigt marschieren wir nun wieder zurück ins
Hotel und verbringen den Spätnachmittag und Abend mit Lesen und, nachdem
auch das Internet wieder da ist, mit ein paar Episoden einer Doku, der
wir zu Hause folgen und die wir hier nun doch einige Wochen vermisst
haben. Irgendwann ruft das Bett. Wir hören den Wind draussen immer noch,
aber kein Vergleich zur Nacht.

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Hotel Halifax

 


25. 9.2022 Halifax am Sonntag

Der heutige Morgen beginnt strahlend, Himmel und Meer streiten, wer das
schönere Blau hat. Ich kann es nicht sagen. Es sieht fantastisch aus.
Wir beschliessen, nach draussen zu gehen und zu schauen, ob wir heute
irgendwo ein Frühstück bekommen. Viele Leute sind unterwegs. Spaziergänger,
Jogger oder solche wie wir, die auch auf der Suche nach Futter sind.
In einem Gebäude, das verschiedene Souvenir Läden beherbergt, ist auch
eine Kaffeebar und zwar eine, die den Namen verdient. Ich bekomme einen
feinen Cappuccino und Ruedi einen Espresso, dazu jeder ein Bagel. Mmmhh,
fein. Wir setzen uns draussen an einen Tisch in der Sonne und geniessen.
Dann wieder husch in das Gebäude, ich bin ja immer noch auf der Suche
nach Mitgebringsel. Hier ist das Angebot wesentlich besser als an all
den Top-Touri-Orten, an denen wir waren. Wieder draussen flanieren wir
noch weiter, längst haben wir Jacken und Sweatshirt ausgezogen und
sind nun etwas behindert mit allem, was wir herum tragen. In einem der
Geschäfte hatte ich nachgefragt, ob und wo man denn hier eventuell
Birkensirup bekäme. In ganz Nova Scotia habe ich bisher nur Maple Sirup
gesehen. Eine Angestellte hat mir zwei Läden angegeben, wo ich vielleicht
fündig würde. Erst mal gehen wir aber nochmals zur Art Gallery. Schliesslich
stand da gestern nichts von heute, aber es war wieder alles zu. Nicht
mal eine klitzekleine Info. Das finden wir ziemlich schwach. An der
Front unten gibt es auch eine Markthalle, in der jeweils Samstags und
Sonntags ein Farmers Market, mit ganz vielen Anbietern von Gemüse etc.,
aber auch mit Kunsthandwerk und ich weiss nicht was allem. Die haben
auf ihrer Website geschrieben, dass der Samstag geschlossen bleibt wegen
des Sturms und der Sonntag zum Aufräumen, ev. Putzen oder so auch zu bleibt.
Das ärgert mich enorm, da ich mich sehr auf diesen Markt gefreut hatte.
Aber ich kann das schon verstehen. Auch wenn es hier nichts aufzuräumen
gibt, so sieht es vielleicht auf den Bauernhöfen, die ich weiss nicht wo
sind, anders aus und die brauchen vielleicht wirklich Zeit zum Ordnung
machen. Wir tippeln also noch ein Stück, finden die angegebenen Läden,
wovon der eine vielversprechend aussieht, aber beide sind zu, wie könnte es
auch anders sein. Also machen wir uns via Halifax Citadel, einen grünen
Hügel mit Zitadelle, auf den Rückweg ins Hotel. Wir ruhen uns einen
Moment aus und machen uns dann wieder auf die Socken Richtung Fährterminal.
Diesmal habe ich den richtigen Rucksack dabei, damit wir keine Jacken
tragen müssen. Wir wollen hinüber nach Dartmouth. Wir geniessen den
Fahrtwind und die Aussicht zurück auf Halifax, aber in Dartmouth gibt es
genau nichts. Kein Kaffee, kein Restaurant, ziemlich öde. Da wir am
Morgen schon viel gelaufen sind und mir wieder einmal alles weh tut,
fahren wir mit der nächsten Fähre wieder zurück und gehen noch etwas
trinken. Inzwischen hat es am Schatten ziemlich abgekühlt und wir
sind froh, dass wir die Jacken dabei haben. Gestern haben wir bei unserer
ersten Tour ein spanisches (autentico español steht angeschrieben)
Restaurant entdeckt. Dort wollen wir später nachtessen, aber jetzt ist es
noch zu früh.
Deshalb zurück ins Hotel, ein wenig die Füsse hoch legen und gegen
6 Uhr machen wir uns zum dritten Mal auf den Weg an die Waterfront.
Im Restaurant realisieren wir, dass das Angebot nur mässig 'spanisch'
ist, aber der bestellte Fisch und die 'patatas bravas' sind echt gut,
genauso wie der weisse Rioja, den wir dazu trinken. Natürlich war es
wieder zu viel, aber so gut, dass wir kaum etwas übrig liessen. Nun sind
wir wieder im Zimmer, ich schaue, dass Ihr über unser Wohlbefinden
informiert seid und Ruedi versucht, seinen kaputten E-Reader auseinander
zu nehmen. Ohne Erfolg. Übrigens, mein Schrittzähler zeigt 21700 Schritte
an, alles auf Teer, kein Wunder, dass alles schmerzt. Guet Nacht, morgen
müssen wir packen, da wir ins Hotel am Flughafen zügeln.

Track
Hotel Halifax

 


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