54 Reiseberichte
25. 1.2018
Tag 4 auf der Evangelistas und Ankunft in Puerto Montt
Schon während der Nacht bemerke ich, dass es fast keine Schiffsbewegung
mehr gibt. Das scheint mir fast schade, hatte mich schon daran gewöhnt.
Und als es hell wird, sehe ich dass wir schon im Golf von Ancud sind.
D.h. links von uns liegt die Insel Chiloé, aber man sieht sie nicht,
andere Inseln verdecken sie. Das Wetter ist angenehm warm und wenig Wind.
Weil der Golf so breit ist, und die Berge rechterhand alle im Dunst,
respektive unter einer Wolkendecke liegen, kann man die schönen Vulkane,
die es dort hat, nicht sehen. Schade. Durch die Verspätung am Anfang
haben wir viel Schönes verpasst. Die Kanäle, die am schönsten sind, haben
wir nur teilweise bei Tageslicht durchfahren. Einen grossen Teil haben
wir bei Dunkelheit und während der Nacht passiert. Auf dem offenen Meer
gabs ausser den Albatrossen nichts zu sehen und die Fahrt durch den
Kanal Boca de Guafo haben wir wieder in der Nacht gemacht. Alles in allem
etwas enttäuschend und Ruedi fand es eh langweilig. Am Nachmittag können
wir noch einen Besuch auf der Kommandobrücke machen und Fragen stellen.
Das ist etwas Abwechslung. Auf einem meiner Rundgänge komme ich ins
Gespräch mit einem der Lastwagenchauffeure. Das ist interessant. Und er
scheint Spass zu haben, sich mit mir zu unterhalten. Wir sprechen von den
Pferden, die auf dem Schiff sind. Es sind Rodeo Pferde auf dem Weg zu
diversen Wettbewerben. Wer weiterkommt, kann am Schluss am 'Champion' in der
Nähe von Santiago teilnehmen. Und den Pferden mache diese Fahrt nichts.
Na ja, ich weiss nicht so recht.
Die Inseln rücken näher. Sie sind mit Wald und Wiesen bedeckt, ab und zu
ein Dorf oder einzelne Häuser. Einzelheiten sind auch jetzt kaum zu erkennen.
Wale oder Delphine zeigen sich keine.
Irgendwann kommt die Durchsage, dass wir zwischen 6 und 7 Uhr abends in
Puerto Montt ankommen. Dann werden zuerst die Autos und Lastwagen ent-
laden, anschliessend könnten wir vom Schiff. Für die Passagiere ohne
Auto gäbe es einen Shuttle, der in die Stadtmitte fährt. Für uns mit Auto
werde auch für Transport gesorgt, denn wir müssten diese wieder an einem
speziellen Ort abholen. Am Schluss ist alles ganz anders. Die Leute
drängen sich auf dem untersten Deck und ein Teil wird schon hinunter
aufs Ladedeck gelassen, kann dort das Gepäck fassen, das mit dem Kran
hinunter gelassen worden ist, und dann das Schiff gleich verlassen. Das
wohl diejenigen, die entweder einen Bus oder einen Fluganschluss haben,
den es zu erreichen gilt. Dann können die restlichen hinunter. Und nun
stehen wir alle dort, und es geht nicht weiter. Schliesslich werden die
Passagiere, die mit dem Bus in die Stadt fahren raus gelassen und wir
müssen weiter dort stehen. Ruedi hat schon herausgefunden, dass unser
Auto auf dem obersten Ladedeck steht und so können wir unser Gepäck
schon mal abladen. Es kommt Putzpersonal an Bord, das Boot sollte
ja heute Nacht wieder auslaufen. Die Lastwagen vom mittleren Ladedeck
werden angelassen und wir stehen in einer Wolke von Dieselrauch und
Gestank. Mir wird fast übel. Auf meine Frage, ob wir nicht wenigstens
unten auf der Mole warten könnten, heisst es, da sei kein Platz jetzt.
Ich stänkere weiter, bis mir jemand sagt, ich könne ja wieder hinauf,
was ich mache. Man muss zwar immer mal ausweichen, weil neue Vorräte
an Bord gebracht werden und Leute herum rennen. Aber mir ist das Wurst.
Endlich werden unsere Autos gebracht. Aber nur bis zur Rampe, dort
übernehmen wir selbst. Wunderbar, das ist viel besser, als wieder
irgendwohin zu müssen und zu warten. Aber wir verstehen nicht, warum
wir derart falsche Informationen bekommen. Es ist doch nicht das erste
Mal, dass dieses Schiff entladen wird. Aber es hat keinen Sinn, sich
Fragen zu stellen. Wir sind in Chile, und da läuft so manches anders
als zu Hause.
Wir fahren also in Richtung Stadt, als plötzlich links und rechts der
Strasse Laden an Laden steht. Ach ja, wir sind in Puerto Angelmó. Hier
sei der grösste Handwerksmarkt von Puerto Montt, mit handgefertigtem,
traditionellem Handwerk. Ruedi ist bereit anzuhalten, und wir sausen
durch einige Läden, die noch geöffnet sind. Es ist ja schon bald 9 Uhr
und die Läden sind am schliessen. Gut, es ist überall etwas das gleiche
zu haben und es gibt eigentlich nichts, was uns wirklich noch fehlt.
Also bin ich nicht traurig, dass wir nicht mehr Zeit haben und durch
100 Läden schlendern können. Wir müssen ja noch zum Hotel, wo wir vor
4 Wochen gewohnt haben. Wir hatten die gebeten, einiges für uns auf
zu bewahren, das wir nicht während der ganzen Reise mitschleppen wollten.
Und tanken müssen wir auch noch, bevor wir ein Stück Richtung Norden
fahren, wo wir übernachten wollen. Nachdem diese Aufgaben erledigt sind,
rollen wir zur Autobahn und fahren bis Puert Varas, das am Lago Llanquihue
liegt. Es ist inzwischen dunkel und es hat einen Verkehr, wie bei
uns am Feierabend. So ein Mist. Wir wissen nicht, wo was ist, wo es
Hotels gibt und wegen des Verkehrs kann man nicht langsam fahren und
schauen. Wir werden quasi durch die Stadt geschleust und kommen unten
am See wieder zu uns. Hier gibt erst mal solche Hotels, in die wir nicht
mal hinein gehen. Aber dann fahren wir an einem Portal vorbei, wo es
Cabañas und freie Zimmer heisst. Also hopp, das schauen wir uns an.
Tatsächlich hat es ein Zimmer, das sehr erschwinglich ist. Als wir
im Haus sind, merken wir, dass dies wohl früher etwas ganz tolles war.
Heute nagt der Zahn der Zeit an allem und es scheint das Geld zu fehlen,
die Anlage wieder schön zu machen. Aber unser Zimmer ist tiptop und
wir freuen uns aufs Bett.
Track
26. 1.2018
Puerto Varas nach Panguipulli via Neltume
Das Hotel ist wirklich speziell. Jetzt, wo ich bei Tageslicht aus dem
Fenster schaue, sehe ich, dass wir direkt in einen Urwald schauen, und
nach vorne sieht man auf den See, das allerdings über Blechdächer von
Häuschen, die zwischen der Strasse und dem Hotel liegen. Trotzdem ist
es schön. Die Zimmer gehen von einer Galerie aus und unten ist die Halle,
die von einem Glasdach überdeckt ist. Der Teppich allerdings wirft Falten,
dass die SUVA laut schreien würde. Der Accesspoint vom Wifi liegt auf
dem Korridor, die Kabel dazu über dem Teppich. Alles ein bisschen sehr
gebraucht, in die Jahre gekommen und auch Bastelei und trotzdem hat's
Charme. Im Frühstücksraum runde Tischchen mit Tischtüchern bis auf den
Boden, die Stühle mit roten Bezügen, aber keiner ist ganz fleckenlos,
aber es stört uns nicht. Es hat alles, was wir brauchen, aber zu den
Highlights gehört dieses Frühstück nicht. Egal, wir steigen ins Auto und
fahren wieder durch die Stadt, wie wir gestern kamen. Nun sieht alles
anders aus und ich denke, dass ich gerne mehr von diesem Ort gesehen
hätte. Auf der Autobahn, auf der auch gejoggt, Auto gestoppt, spaziert
und Velo gefahren wird, einer Strasse mit Bushaltestellen, die nicht
wirklich abgegrenzt sind, auf dieser Ruta 5 fahren wir über Osorno bis
Panguipulli. Vorbei an Seen, über Flüsse und immer wieder durch Wald-
stücke. Auf Weiden hat es mal Kühe, mal Schafe, ab und zu ist auch eine
auf der Strasse. Aber das kennen wir schon. Hier gibt's für das keinen
Aufruf im Radio 'Tiere auf der Autobahn'. Nun kommen wir Neltume näher.
Wir sind gespannt, wie Bella und Dagoberto uns empfangen. Sie wirken
etwas verstört, als wir kurz vor eins aufkreuzen. Obwohl ich heute morgen
noch geschrieben hatte, dass wir nun in Pto Varas abfahren. Sie sagen
dann später auch, sie hätten uns erst gegen Abend erwartet. Tja, die
Kommunikation mit ihnen war schon vorher schwierig. Ich schrieb etwas
und sie schrieben zurück, als hätten sie meine Zeilen gar nicht gelesen.
Egal, sie freuen sich trotzdem sehr, uns zu sehen und wir werden zu
einem feinen Mittagessen eingeladen. Einen Kuchen hätte sie nun keinen,
eben, weil wir nicht zur erwarteten Zeit gekommen sind. Die Unterhaltung
ist etwas schleppend, sie verstehen uns oft nicht und umgekehrt. Die
zwei, vor allem Bella, sprechen wie Maschinengewehre. Wir haben keine
Chance ausser immer wieder nachfragen und sie zu bitten, langsamer zu
sprechen. Sie freuen sich über die Mitbringsel und vor allem über die
Fotos, die Ivonne und Dome uns mitgegeben haben. Nach ein paar Stunden
verabschieden wir uns und werden fest darum gebeten, wieder zu kommen.
Eigentlich möchten wir gerne noch etwas vom Huilo Huilo Park sehen,
aber es ist so heiss und die riesigen Tábanos (eine Art Rossbremsen,
die nicht stechen, sondern einfach einen Schluck Blut nehmen und wieder
abzischen, ohne dass es nachher beisst) sind auch unterwegs, da bin ich
völlig antriebslos. Ruedi hat auch nicht übertrieben Lust, noch herum
zu wandern, also fahren wir nach Panguipulli, wo unser nächstes Hotel
wartet. Allerdings nehmen wir die andere Strasse, die auf der Landkarte
ist, damit wir noch etwas anderes sehen, wissen aber nicht, dass diese
ganze Strecke Ripio ist und mit x Baustellen übersät. Die Strasse ist
in mega schlechtem Zustand, zudem führt sie über einen Pass und ist
sehr kurvig. Die Landschaft ist wunderschön, da und dort ein See(li),
ein bisschen wie bei uns in den Voralpen, bloss etwas ursprünglicher,
nicht so zivilisiert. Wir sind aber trotzdem froh, als wir im Hotel
ankommen. Eine gute Dusche weckt die Lebensgeister wieder. Die Frage
nach einem Restaurant am See wird mit einem 'gibt es nicht' beantwortet.
Ein Lokal am See, in dem man einfach etwas trinken könnte, ebenso wenig.
Nicht zu verstehen. Das Städtchen liegt an einem tiefblauen See, man
kann dort spazieren, aber essen oder etwas trinken, nööö, das macht
man hier nicht. Also marschieren wir zu dem Lokal, das die 2 'Mädels'
vom Hotel uns empfohlen haben. Immerhin sitzen wir im Garten, trinken
einen Mojito und bestellen jedes eine Kürbissuppe und ein Sandwich
zum Teilen. Erst kommt das Sandwich, schön halbiert auf 2 Tellern mit
je einer Portion Pommes, erst später dann noch die Suppe. Etwas unge-
wöhnlich, aber letztlich gut. Bloss einmal mehr zu viel. Wir sind mehr
als satt und gehen nun sehr gemütlich retour ins Hotel, wo wir wenig
später im Bett liegen.
Track
27. 1.2018
Panguipulli nach Chaihuin
Der Morgen beginnt mit freundlichem Wetter und einer herrlichen Dusche.
Einer gut funktionierenden Dusche. Noch immer haben wir beide manchmal
das Gefühl, dass es schwankt, wie auf dem Schiff. Dabei sind wir immerhin
seit mehr als 24 Stunden nicht mehr auf den Planken. Das ist ein eigen-
artiges Gefühl. Wir fahren an den See hinunter dort hat es ein Denkmal,
aber es ist komplett abgeriegelt, steht mitten in einer riesigen Baustelle,
die aber noch gar nicht existiert. Schade. Dafür ist die Seepromenade sehr
schön und etwas weiter vorne ist sogar noch eine 'Muestra Costumbrista'.
Eine Messe, an der in lauter kleinen bis kleinsten Buden Selbstgemachtes
aus der Region angeboten wird. Hier hat es auch ein paar Stände mit
Kunsthandwerk. Wir finden unerwartet etwas Lustiges und ziehen zufrieden
von dannen. Bei Los Lagos kommen wir wieder auf die Autobahn und fahren
ein Stück südwärts bis zum Abzweiger Richtung Corral, einer Ministadt
am Meer. Die Fahrt ist herrlich, die Landschaft wie in den letzten Tagen.
In Corral essen wir in einem kleinen Restaurant auf dem Hügel, der mitten
im Ort ist, einen Fisch mit Reis. Wie das mundet. Wir sind die einzigen
Gäste. Und dann die Aussicht. Bei uns wäre dies ein teures Restaurant,
allein deshalb. Gestärkt und gut gelaunt fahren wir nun auf der Küsten-
strasse bis Chaihuin. Dort haben wir eine Cabaña gebucht für die nächsten
zwei Tage. Mal sehen, was da kommt. Wir meinen, dass es, ausser zwei, drei
Häusern hier und dort, gar nichts gibt. Doch das ist falsch gemeint. Diese
Gegend ist touristisch sehr erschlossen. Nicht der Tourismus von El Chaltén
oder Grindelwald. Hier kommen Chilenen und Argentinier. Alle paar Meter
hat es ein Schild für Cabañas, für einen Minimercado oder einfach ein
winziges Häuschen, wo Empanadas oder Früchte und Säfte angeboten werden.
Da sind Cocinerias, kleine Restaurants, die aber nicht die Alkoholkonzession
haben und sich deshalb nicht Restaurant nennen dürfen. Etwas weiter vorne
liegt das Dorf selbst, das aus eine Gruppe Häuser, einer Schule, vielen
Campingplätzen am Fluss oder am Meer und der Administration der Reserva
Costera Valdiviana besteht. Unser Häuschen ist zwar nicht vorne an den
Klippen, es steht noch eines vor uns, aber seitwärts haben wir eine
schöne Aussicht auf einen Sandstreifen, der das Meer und die dahinter
entstandene Lagune trennt. Es ist keine richtige Lagune, denn das Wasser
dort ist nicht salzig, es ist die Mündung des Flusses Chaihuin ins Meer.
Die Einrichtung ist sehr einfach und zweckmässig und leidlich sauber,
aber es gibt, was wir brauchen und wenn wir im Bett liegen, hören wir
das Meer rauschen. Das ist doch toll. Ein Pfad führt zum Strand hinunter,
und wir schauen uns ein bisschen um. Da die Flut am steigen ist, kann man
nur hinten laufen, wo der Sand sehr tief ist, was anstrengend ist. Ich
muss rasch die Temperatur prüfen. Es ist eiskalt, brrr, so laufe auch ich
nicht durchs Wasser. Das wäre angenehmer, als der tiefe Sand. Wir gehen
also wieder hinauf und gehen noch rasch einkaufen, was es fürs Frühstück
morgen braucht. Nachtessen mögen wir beide nicht, wir sind noch voll vom
Mittagessen. Also setzen wir uns auf die Veranda, plaudern mit den Leuten
von nebenan, und als die Sonne bei uns nicht mehr hin mag, wechseln wir
kurzerhand vor das andere Haus, in das niemand zu kommen scheint, und das
noch voll in der Sonne liegt. Erst um 9 Uhr! versinkt die Sonne langsam
im Wolkenband am Horizont. Nun ist es ziemlich frisch und wir verziehen
uns ins Haus. Zwischendurch ist unser Nachbar nochmals gekommen und hat
uns einen Sack Salznüsse und 2 süsse chilenische Kekse gebracht, bevor
sie selbst hinunter an den Strand sind. Die Leute sind wirklich nett
mit uns.
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