54 Bericht 014

54 Reiseberichte

21. 1.2018 Tag 2 in Puerto Natales

Das angebotene Frühstück ist nicht üppig, dafür fein. Nachdem wir uns gestärkt haben und unsere Bagage ins Auto gebracht haben, fahren wir zum grossen Busterminal, wo auch Navimag, die Schiffsagentur für unsere Fähre, ein Büro hat. Dort bekommen wir unsere Tickets für heute Abend. Anschliessend fahren wir zu einer Autowaschstation. Ruedi hat schon gestern geschaut, wo wir unser Auto sauber machen lassen können. Es ist ein kleiner Mechanikerbetrieb, der daneben auch Autos wäscht. Mit dem Hochdruckreiniger wird aus unserer 'Dreckskarre' wieder ein glänzender Suzuki. Nun können wir nämlich unsere Koffer direkt im Kofferraum umpacken, ohne dass wir nachher völlig verdreckt sind. Für das Schiff müssen wir jedes seine Sachen für 4 Tage haben. Die grossen Taschen bleiben im Auto, und damit im Bauch des Schiffs. Nun suchen wir noch die Post, wo ich ein paar Marken kaufen will. Vor mir sind bloss 3 Leute, doch diejenigen, die gerade am Schalter bedient werden, wollen wohl ein Geschäft auftun oder die Welt kaufen. Es dauert mehr als 20 Minuten, bis die nächsten dran sind, doch dann bekomme auch ich meine Marken und die Postkarten wandern in den Briefkasten. Nun haben wir unser Pflichtprogramm erfüllt und können uns noch in einigen Läden umschauen für ein paar Mitbringsel. Wir ziehen durch etwa 6 Läden, doch haben wir nachher alles, was wir wollten. Befriedigt gehen wir einen Kaffee, resp. eine Cola trinken. Ruedi mit einer kleinen Calzone, ich mit einem Stück Baumnusstorte, was denn sonst. Allerdings muss ich gestehen, das war eine sehr, sehr süsse und klebrige Angelegenheit. Hätte ich besser sein lassen. Nachdem wir in dem kleinen Geschäft im Park noch das allerletzte Geschenk gekauft haben, beschliessen wir, noch einen Spaziergang an Meer unten zu machen. Es windet zwar extrem, was Ruedi gar nicht gefällt. Aber irgendwie müssen wir uns ja beschäftigen. Und wirklich kalt ist es nicht. Abgesehen davon, dass mich meine Haare fast 'stigelisinnig' machen, weil ich sie ständig im Gesicht und in den Augen habe beim Fotografieren, geniesse ich den Spaziergang sehr. Wir halten Ausschau nach unserer Fähre, die am Morgen noch nicht in Sicht war. Nun ist sie draussen vor dem Hafen, etwa 300m vom Ufer entfernt. Und dort bleibt sie auch. Wir fragen uns, warum wohl. Wir stiefeln herum, schauen den Jungen zu, die auf einer Anlage mit den Skateboards und BMX unterwegs sind und Spass haben, und marschieren dann bis zu den Hafengebäuden. Dort fragen wir mal nach, was mit der Fähre sei und bekommen zu Antwort, dass der Wind zu heftig sei, als dass angelegt werden könnte. Gut, irgendwann wird sich der Wind ja wohl legen. Zwischendurch wärmen wir uns mal mit einem Kaffee auf und machen nochmals eine Runde zu Fuss. Wir müssen noch viel Zeit totschlagen. Erst um 20.30 Uhr müssen wir am Hafen sein für die Zollformalitäten und das Boarding. Allerdings fragen wir uns langsam, wie das wohl geht. Obwohl es schon 5 Uhr ist, liegt die Fähre immer noch draussen. Und wenn sie einmal angedockt hat, müssen erst mal die Autos abgeladen, die Passagiere von Bord gehen. Da wird geputzt werden müssen, etc. etc. Immerhin war sie 4 Tage lang unterwegs. Das ist nicht wie beim Flieger, der zwischen zwei Flügen rasch von 'Brösmeli' und zurück gelassenen Zeitungen befreit werden muss. Da sind auch Kabinen zu reinigen, Betten anzuziehen und, und.. Wir gehen zurück an die Plaza und genehmigen uns, nochmals im 'Mesita grande' einen Calafate Sour, resp. einen Ruibarb Sour für mich. (Hier werden nicht nur Calafate Beeren in allen Variationen angeboten, sondern auch Rhabarber). Danach essen wir beide nochmals Fettuccine. Dabei kommt mir in den Sinn, dass ich gestern noch von einer Unterhaltung mit 2 Franzosen aus der Haute Savoy berichten wollten. Sie sassen neben uns, und nachdem wir erst mit einem jungen Holländer Paar auf deutsch unterhalten hatten, kamen sie mit uns ins Gespräch. Irgenwie hatten wirs von den wahnsinnigen Velofahrern, die hier unterwegs sind. Fragt sie mich, ob sie denn wahn- sinnig aussehe, oder gestresst oder so. Sie seien nämlich auch mit dem Fahrrad unterwegs und zwar schon seit einigen Monaten. Gestartet im Norden von Perù (oder so) und nun bald am Ziel, in Ushuaia angelangt. Und nein, sie seien nicht ein Leben lang Radfahrer gewesen, sondern Wanderer und Trekker. Viele grosse Touren mit schweren Rucksäcken und so. Irgendwann hätten sie gefunden, dass diese schwere Tragen überhaupt nicht gut sei und eine Lösung gesucht. So seien sie dann vor einigen Jahren zum ersten Mal mit dem Fahrrad gestartet. Von zu Hause nach Myanmar. Uff... bloss etwa 8 Monate unterwegs. Und die sind nicht jung, die sind irgendwo um die 50 oder drüber. Bitte, ich weiss, das ist nicht alt, aber eben auch nicht jung. Sie haben uns dann auch 2 Filmli gezeigt, wie sie zwischen Caleta Mancilla und dem Lago Disierto ihre Velos stossen. Auf unwegsamem Trampelpfad, über einen Bach, der nur über 2 Baumstämme überquert werden kann. Ivonne und Dome wissen, wovon ich spreche. Ich meinte, ich spinne. Aber eben, wenn man angefressen ist. Und mir ist auch klar, das sind Erlebnisse, die unsere gemütliche Reiserei natürlich bei weitem in den Schatten stellen und die viel tiefer gehen, als alles, was wir bisher gemacht haben. Hut ab. Ich wäre dazu nie fähig gewesen. Und ich denke, für Ruedi gilt das gleiche. Wie auch immer, es war ein sehr interessantes und anregendes Gespräch. Schon vor 8 Uhr stehen wir wieder unten am Meer. Die 'Evangelistas', wie unsere Fähre heisst, liegt immer noch draussen. Sie scheint zwar etwas näher am Ufer zu sein als vorher, aber das nützt ja nichts. Kurz vor halb 9 will Ruedi wissen, wie es weiter geht. Da ist nirgends jemand, der Informationen zu geben scheint. Also gehen wir mal in die Capitanera. Der junge Angestellte dort erzählt uns in rasendem Spanisch, dass wir zum Zoll müssten, unser Auto irgendwo abgeben und dann mit dem Gepäck wo anderns hin müssten. Wir verstehen nur Bahnhof. So kann das ja nicht gehen. Irgendwie tönt auch durch, dass die Fähre heute nicht mehr anlege. Ob wir denn im Auto schlafen müssen, darauf nur Achselzucken. Ruedi will den Chef sprechen. Und dieser klärt uns nun in gepflegtem Englisch, dass es völlig unbekannt sei, wann die Fähre in den Hafen könne, dass wir die Zollformalitäten aber erledigen und uns dann eine Unterkunft suchen müssten. Man hätte uns die Verspätung und den neuen Zeitpunkt hier am Hafen schon per Mail mitgeteilt. Wie sollen wir Mails lesen, wenn wir unterwegs sind. Wir sind ja darauf eingestellt, dass wir die Nacht auf der Fähre verbringen, haben also keine Bleibe mehr. Also zurück zu unserem gestrigen Hostal, wo es leider kein Zimmer mehr gibt. Das nächste Hotel will über 280 US$, passt uns nicht. Schliesslich können wir ein Zimmer im Hotel Glaciares ergattern. Ein bisschen muffig, aber was solls. Wieder zum Hafen. Beim Zoll werden wir nach einem Voucher gefragt. Was für ein Voucher? Ein französisches Ehepaar, das gerade raus geht, erkennt unsere Schwierigkeiten und zeigt uns, wo es den Voucher gibt. Nämlich dort, wo uns der von der Capitanera gesagt hat, wir sollen nicht dort hin. Gut, zurück zum Zoll. Dort hat einer grössere Schwierigkeiten mit seinen Dokumenten. Bevor wir eine halbe Stunde warten, frage ich jemanden, der auch wartet, ob wir das Auto erst abgeben müssten oder erst hier fertig machen. Nein, nein, erst das Auto ins Zollareal bringen, dann mit den Dokumenten wieder herkommen, dann wieder ins Zollareal, wo die Autos über Nacht bleiben. Meine Güte, was für ein Cabaret, und was, wenn wir nicht ständig nachfragten und uns selbst um Infos kümmerten? Wie geht es wohl weniger reisegewohnten, oder denen, die mit der Sprache noch mehr Mühe haben. Es ist ja nicht so, dass dies eine Ausnahmesituation ist. Das passiert alle paar Wochen. Aber gut, es ist alles erledigt. Dort, wo wir das Auto gelassen haben, hat man uns nochmals versichert, dass wir am Dienstag Morgen um 8.30 wieder hier sein müssen. Müde stampfen wir ins Hotel und sinken ins Bett.
Track

22. 1.2018 Einschiffen auf die Evangelistas

Mitten in der Nacht wird Ruedi hektisch und rennt aufs WC. Jetzt ist er an der Reihe. Zwar ohne Durchfall, aber mit mehrmaligem Erbrechen. Am Morgen ist er natürlich völlig k.o. und ich bin auch nicht fit. Habe ja auch nicht viel geschlafen. Ich esse etwas Toast und Ruedi trinkt einen Tee. Dann kommt das bestellte Taxi. Nach dieser Nacht soll Ruedi nicht mit einem Koffer zu Fuss zum Hafen. Der Taxichauffeur fährt mit uns grinsend bis auf die Rampe und lässt uns unmittelbar am Einstieg raus. Gut investierte CLP 2'000 (CHF 3.-)! Und bloss diese ca. 20 Meter sind eine Riesenanstrengung mit dem Rollkoffer. Und zwar für mich. Ich komme fast nicht hinauf, derart windet es. Ein Angestellter nimmt den Koffer und stellt ihn oben hin, wo alles Gepäck in einem kleinen Container mit einem Kran 2 Stockwerke hochgezogen wird, so die Passagiere es nicht selbst die Treppen hochschleppen müssen. Das würde wohl das Ankunfts- prozedere um einiges verlängern. Erst mal werden wir alle in den Esssaal gebeten. Dort steht das Frühstücksbuffet bereit. Wir müssen noch einige Zeit warten, bis die Kabinen gereinigt und neu bestückt sind. Das Schiff hatte ja erst irgendwann in der Nacht angelegt, musste dann entladen werden und die Passagiere wurden wohl erst frühmorgens raus gelassen und nicht mitten in der Nacht. Da Ruedi eh nichts isst und ich mein Frühstück im Hotel genommen hatte, setzen wir uns einfach hin und harren der Dinge, die da kommen. Nachdem alle hier sind, werden wir auf spanisch und englisch begrüsst und mit einigen Informationen versorgt. Dann dürfen wir uns an Deck begeben, jedenfalls die, die kein Problem mit dem Wind haben. Nach nicht all zu langer Zeit können wir unsere Kabine beziehen. Ruedi legt sich hin und ich setze mich auf die Couch und lese. So lange wir nicht ablegen, muss ich ja nicht im Wind stehen. Erst etwa 3 Stunden später geht es wirklich los. Langsam entfernen wir uns von Natales und fahren Richtung Süden und zwar für einige Stunden. Erst dann können wir abdrehen und in einen Kanal fahren, der nach Norden geht. Das Ufer ist immer relativ nahe und wir fahren zwischen unzähligen Inseln hindurch. Der Wind ist nicht weniger heftig, mal scheint die Sonne, mal ist der Himmel dicht und wir scheinen in eine Regenfront zu fahren. Aber bis wir dort sind, hat sich die Situation schon drei mal geändert und es regnet praktisch nie, spitzt bloss ab und zu. Nach etwa 3 Stunden fahren wir durch eine Enge, die gerade mal 70 m breit ist, unser Schiff selbst misst 25 m. Sehr langsam passieren wir diese heikle Stelle und wir haben fast das Gefühl, wir könnten das Ufer anfassen. Die Inseln sind meist sehr grüh. Entweder bewaldet, oder mit kargen Wiesen und einzelnen, krüppligen Bäumen bedeckt. Und Wasserfälle hat es alle paar hundert Meter. Die Bäche fliessen über die Felsen, glitzern im Licht und machen Lust, dort zu wandern. Was allerdings schwierig wäre. Die Inseln sind allesamt unbe- siedelt. Auf unserer Fahrt werden wir nur an einer einzigen Siedlung vorbei kommen, und Häfen gibt es auch keine. So habe ich es jedenfalls verstanden. Später werde ich mehr wissen. Das Mittagessen besteht aus Poulet und Reis. Vorher eine sehr gute Gemüsesuppe. Zum Dessert ein Stück Pudding. Ruedi liegt in der Kabine und schläft viel. Essen mag er nicht. Ab un zu bringe ich ihm etwas zu trinken. Die meiste Zeit verbringe ich entweder draussen auf Deck oder irgendwo am Fenster. Die Landschaft zieht vorbei und wechselt ständig, ist aber trotzdem immer dasselbe. Bergig, meist bewaldet, Bäche, ab und zu ein Fleck Schnee. Während wir im Canal ..... unterwegs sind, hat es auch einige Gletscher, aber keine, die ins Meer hinunter kommen, sondern in der Höhe. Immer wieder haben wir sonnige Abschnitte. Gegen Abend sitze ich auch eine zeit lang in die Kabine und lese ein bisschen. Gegen 8 Uhr gehen wir zusammen in den Esssaal. Ruedi isst ein paar Pommes Duchesse. Für mich gibt es dazu noch feinen Fisch, und dann ein Stückchen Pudding. Ich hole noch einen Pfefferminztee und dann bleiben wir in der Kabine. Ich lesend und Bericht schreibend, Ruedi schlafend.
Track

23. 1.2018 Tag 2 auf der Evangelistas

Die Nacht ist lang. Ich liege im oberen Bett und es ist warm. Mein Duvet habe ich Ruedi gegeben, ich zerre auch noch die warme Wolldecke weg und nehme meine leichte Fleecedecke, so geht das. Von den Wellen ist kaum etwas zu spüren. Heute mag auch Ruedi frühstücken, das ist schon mal gut. Der Wind ist eben so stark wie gestern, aber es ist spürbar weniger kalt. Unangenehm ist, dass es immer wieder regnet und zusammen mit dem Wind... Während Ruedi unten liest, drehe ich einige Runden an Deck, immer einen Stock höher, dann wieder hinunter. Drei verschiedene Decks hat es. Es wurden Besuche auf der Kommandobrücke angeboten. Leider wird meine Gruppe auf morgen verschoben. Es hat nebst wenigen Schweizern einige Franzosen an Bord. Wir haben uns schon mit mehreren unterhalten und auch jetzt, gibt es wieder ein paar unterhaltsame Gespräche. Heute kommen wir nach Puerto Edén. Eine Siedlung mit etwa 60 Einwohnern, meist Fischer, und ohne Strassen. Die Häuser sind mit Holzstegen verbunden, wie in Caleta Tortell, bloss viel kleiner. Es gibt dort eine Grundschule, aber nachher müssen die Kinder in Puerto Natales weiter machen. D.h. sie sind in einem Internat oder bei Verwandten, oder die ganze Familie zieht nach Natales während des Schuljahres und lebt nur in den Ferien in ihrem angestammten Dorf. Das Schiff fährt nicht in den Hafen, sondern ankert draussen vor der Bucht. Die Laderampe wird hinunter gelassen und die Leute, die etwas von der Fähre bekommen, oder etwas mitgeben wollen, kommen mit kleinen Booten zu uns. Eine Familie geht von der Fähre und ich glaube einige sind dafür dazu gekommen. Das dürfen aber nur Einwohner von Edén. Touristen müssen ein kleineres Boot nehmen, das in den Hafen fahren kann. Es gibt hier auch ein Hostal, und die paar Touristen, die herkommen machen Trekking zu Gletschern, die man heute nicht sehen kann. Die Einwohner hier sind die letzten, praktisch reinen, Abkömmlinge vom Stamm der Kawequar. Scheinbar wurden sie damals (wann?) von den Mapuche verdrängt und fanden in dieser völlig isolierten Gegend einen Ort, an dem sie nicht verfolgt wurden und wo sie leben konnten. Wie das möglich ist, frage ich mich. Die Winde, die hier wehen, sind derart stark, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie diese Menschen damals hierher fanden. Sie waren angeblich mit Kanus unterwegs und lebten nackt. Ob das so stimmt, weiss ich nicht. Ich habe keine Möglichkeit, irgendetwas zu verifizieren. Nachdem wir Edén hinter uns gelassen haben, setze ich mich zu Ruedi in die Kabine, aber kaum sind wir unten, kommt die Durchsage, dass oben ein Vortrag über die unterwegs zu sehende Fauna angeboten wird. Das interessiert mich natürlich. Ruedi bleibt unten, denn inzwischen hat auch ihn der Durchfall erreicht. Also brav in der Nähe des WCs bleiben. Der junge Mann stellt die diversen Vogelarten und später noch die Wasserbewohner vor. Hoffentlich gibt es tatsächlich Blauwale zu sehen. Das wäre der Hammer. Auch Orcas soll es geben. Wir kommen nun zur 'englischen Enge' und etwas später zu einem Schiffs- wrack das auf einem andern hockt. Es gibt hier Untiefen, und vor ... Jahren versank hier ein Schiff. Später einmal war ein Schiff mit einer Ladung Zucker unterwegs. Irgendwie fanden sie, man könnte das Schiff versenken und dafür die Versicherung kassieren. Blöderweise landeten sie aber auf dem versunkenen Schiff und konnten deshalb selber nicht unter- gehen. Der geplante Betrug flog auf. Auch hier habe ich keine Beweise, wie war die Story ist. Jedenfalls ragt das verrostete Schiff aus dem Wasser, wie ein Mahnmal. Inzwischen hat der Wind Samen von den Bäumen, der nicht weit entfernten Insel, hinüber getragen und es wachsen nun kleine Bäumchen mitten im Kanal. In der Wand hat es Löcher, die Armada hatte sich mit Schiessübungen dort vergnügt. Der Wind ist so stark, dass immer wieder davor gewarnt wird, hinaus zu gehen, und jedenfalls acht zu geben, dass niemand von einer auf- oder zuknallenden Tür, die aufs Deck geht, verletzt wird. Bisher haben wir weder Wale noch Albatrosse oder sonst ein spezielles Tier gesichtet. Aber die Fahrt durch den Messier Canal ist auch ohne das toll. Um halb 8 gibt es Nachtessen. Spaghetti Bolognese und Salat. Uns schmeckt es. Bevor wir fertig sind, macht der Schiffsarzt die Runde und offeriert allen eine Tablette gegen Reise- oder Seekrankheit. So gegen Mitternacht fahren wir nämlich aus dem Kanal und kommen in die Bahia Pena. Diese Bucht ist so gross, dass es fast wie auf dem offenen Meer ist. Zudem sei das Wasser dort momentan ziemlich aufgewühlt. Ich bin skeptisch. Unten lesen wir noch ein bisschen und machen uns dann bettfertig. Während Ruedi seine Tablette schon ge- nommen hat und eingeschlafen ist, lese ich noch ein bisschen. Aber dann fallen auch mir die Augen zu. Also trotzdem noch rasch die Pille und dann Licht aus.
Track

24. 1.2018 Tag 3 auf der Evangelistas

Ich wache schon kurz nach Mitternacht das erste Mal auf. Es schaukelt ziemlich und alle paar Minuten gibt es einen Riesenknall, so wie wenn gleich nebenan jemand ein Metalltor mit aller Wucht zuschlagen würde. Mir ist zwar überhaupt nicht übel, und das Geschaukel finde ich eigentlich als ganz angenehm. Aber schlafen kann ich nicht. Kaum bin ich wieder eingedöst, knallt es wieder. Ich weiss nicht, was die Ursache ist. Dass es das Wasser ist, das beim Wiedereintauchen des Schiffs, an den Rumpf klatscht, das kommt mir nicht in den Sinn. Na ja, irgendwann geht auch diese Nacht vorbei. Ruedi schläft und hört nichts von allem. Um 8 Uhr wacht er endlich auf, ich bin schon mehr oder weniger frühstücksbereit. Im Esssaal sind weniger Leute als gestern. Vielleicht ist doch dem einen oder andern übel? Wir geniessen unser Frühstück. Die Bewegungen des Schiffs haben sich verändert. War es vorher ein kurzes Auf- und Ab, weil die Wellen von vorne kamen, ist es nun ein Rollen. Die Wellen kommen von der Seite und das Schiff bewegt sich nicht nur auf und ab, sondern neigt sich auch ganz nett zur Seite. Wenn man umher geht, muss man sich teilweise halten. Auf den Treppen unbedingt. Anschliessend ans Frühstück liest Ruedi in der Kabine und ich mache meine Deckrunden. Es ist nicht kalt, es regnet nicht, der Wind ist nicht sooo stark, also sehr angenehm. Auf die Frage, wann wir voraussichtlich in Puerto Montt sind, bekommen wir eine etwas vage Antwort. Wir seien jetzt erst aufs offene Meer hinaus gekommen, und je nach Vorwärts kommen, könne es morgen zwischen Mittag- und Abendessen sein. Und dazu noch die Information, dass wir nun in eine etwas unruhigere Gegend kämen, die Bewegungen noch grösser würden. Da es draussen eigentlich nichts zu sehen gibt, setzen wir uns mit dem Buch in die obere Lounge. Ich muss natürlich trotzdem zwischendurch hinaus und bemerke die Albatrosse, die hinter dem Schiff fliegen. Das sind echte Flugkünstler. Ohne einen einzigen Flügelschlag segeln sie im Wind, mal dicht über dem Wasser, dann wieder lassen sie sich in die Höhe gleiten, fliegen ziemlich dicht über die Fähre. Es ist absolut faszinierend, ihnen zu zu schauen. Ruedi kommt nun auch mit seinem Fotoapparat und geniesst die Flugschau. Auf dem obersten Deck muss man ganz schön ausbalancieren, wenn man nicht der Reeling nach geht und sich nicht halten kann. Aber an etwas angelehnt, kann man gut stehen und die Vögel beobachten und hat doch noch die Hände frei zum Fotografieren. Zum Mittagessen wird Kartoffelstock und Schweinsbraten angeboten. Sehr gut. Später sind wir eine Zeitlang in der Kabine, und dann mache ich wieder ein paar Deckrunden und schaue nochmals den Albatrossen zu. Plötzlich rennen alle, die auch unterwegs sind, auf eine Seite. Es gäbe Delphine zu sehen. Wo denn, ich kann erst mal keine sehen. Doch dann kann auch ich sie sehen. Sie sind sehr klein, wohl bloss einen Meter lang. Zu zweit, zu dritt springen sie aus dem Wasser, pfeilen neben dem Schiff her und verschwinden dann wieder. So etwa 2 Stunden. Um 4 Uhr sollte Ruedi das Schiffseigene Internet benützen dürfen, um die Hotelreservation zu stornieren, da wir wegen der Verspätung die 300 km dorthin nicht schaffen können. Leider ist das eine Illusion. Das Netz taugt nichts und wir müssen schauen, ob wir morgen vielleicht, durch den Tag und in Landnähe, telefonisch absagen können. Kurz vor fünf bietet einer der Crew ein klassisches Gitarrenkonzert an. Das wollen wir natürlich hören. Leider sind in der Lounge auch Leute, die nicht interessiert sind und leider nicht den Anstand besitzen, sich wenigstens ruhig zu verhalten. Als es mich verjagt und ich mal rufe, der junge Mann da vorne spiele für uns und wir würden das gerne hören, reagieren sie ziemlich unwirsch. Zwischendurch hatten wir auch mal einen Unterbruch, weil draussen jemand 'Wal in Sicht' rief. Aber die waren so weit weg, dass es gar nichts zu sehen gab, ausser einen kaum sichtbaren Blas. Der Gitarrist ist nun nicht grad ein Künstler, für die Carnegie Hall reicht es noch nicht. Aber er war gut genug, um Abwechslung und auch durchaus Genuss zu bieten. Bis es Nachtessen gibt, liest Ruedi und ich schreibe schon mal den heutigen Bericht bis dann. Um halb 8 öffnet das Buffet. (Übrigens, Buffet bedeutet hier nicht Auswahl an diversen Speisen, sondern Ausgabebuffet, à la Kantine) Heute gibt es Couscous und ein grosse Portion Truttenbrust an Champignonsauce. Ruedi und ich teilen uns ein Stück Fleisch, so langsam lernen wir es. Dann gehe ich nochmals raus und drehe meine Runden. Dazwischen plaudere ich mit einem Ehepaar aus Toulouse. Sie haben einen wunderbaren 'accent du midi'. So schön. Und während wir dort stehen, meint die Ehefrau plötzlich, sie sähe einen Delphin, doch als wir dann genauer schauen, merken wir, dass er keine Finne hat und noch kleiner und viel dunkler ist, als die andern, die wir gesehen haben. Es ist ein SEELÖWE. Und er springt genau wie ein Delphin. Im Fauna-Vortrag hat Cristian davon erzählt. Das war's für heute.
Track

54 Reiseberichte