54 Reiseberichte
30.12.2018
Rio Negro nach Chaitèn
Um halb sieben holt uns der Wecker aus dem Schlaf und nach der Morgen-
toilette gibt's unten ein feines Frühstück. Alles ins Auto und hinüber
zur Fähre, wo schon einige Autos warten, aber wir haben ja reserviert,
also kein Problem. Unser Auto muss auf die untere Parkebene, also eine
ziemlich steile Rampe hinunter. Aber Ruedi sitzt ja am Steuer...
Die über 4stündige Fahrt verläuft ruhig. Wir sitzen meistens drinnen,
da es eigentlich nicht viel zu sehen gibt. Links und rechts bewaldete
Hänge, oft vom Nebel eingehüllt. Im Wasser ist auch nichts zu sichten.
Irgendwann machen Ruedi und ich Bemerkungen über die Passagiere, die
sich einen Platz direkt vor der Frontscheibe sichern, dann aber gar
nicht dort sind. Da bekommen wir plötzlich von nebenan Zustimmung. Wir
wechseln ein paar Worte mit einem Ehepaar in unserem Alter, dann plötzlich
sagt die Frau zu mir, ich kenne Sie, sind Sie nicht von Glattbrugg? Ich
schaue auch und finde, dass ich sie kenne, aber woher, Name etc???
Dann plötzlich fällt der Groschen. Wir hatten vor 36 Jahren unsere Kinder
in derselben Spielgruppe, damals mit selber hüten und beschäftigen, nicht
mit abgeben. Seit damals hatten wir keinen Kontakt. Sie wohnte in einem
ganz anderen Quartier und wir hatten keine weiteren Berührungspunkte.
Und nun treffen wir uns irgendwo im Juhee. Ist doch wirklich lustig.
Ob wir uns nochmals über den Weg laufen? Die zwei machen nur eine kurze
Runde und fliegen dann in den Süden. Mal schauen..
Nach Ankunft in Caleta Conzales machen wir uns gleich auf die Strecke
nach Chaitén. Es regnet und windet, ich kämpfe mit dem Schlaf. Die
Landschaft ist immer noch gleich wie vorher, Wälder, steile Hänge,
Wiesen, Kühe, Schafe. Wir hatten gehofft, dass es irgendwo ein Café
oder ein Restaurant gibt, aber es kommt und kommt kein Dorf, das genug
gross für sowas ist. So kommen wir ziemlich hungrig in Chaitén an und
suchen ein Restaurant auf, wo wir uns beide ein heisses Sandwich bestellen.
Was kommt ist riesig und am Schluss sind wir einmal mehr übervoll. Es
regnet teilweise quer, also Spaziergang keine Option. Wir fahren zu unserer
Unterkunft. Ein freundlicher Mittvierziger begrüsst uns und zeigt uns unsere
'Cabaña'. Ein kleines Holzhäuschen mit einem winzigen Vorraum, wo
ein Holzofen versucht, etwas Wärme zu produzieren, was mit der Zeit
auch gelingt. Ein Zimmer mit einem grossen Bett und ein winziges,
saukaltes Badezimmerchen/WC. Der Ort ist idyllisch, aber das nützt im
Moment wenig, denn es regnet und windet ja heftig. In einer kurzen
Regenpause mache ich noch einen Rundgang und schaue die Umgebung an.
Der Strand ist von groben Steinen bedeckt, sehr schwierig zu begehen.
Auf dem Wasser schwimmen etwa 20 Schwarzhalsschwäne. Ja, es wäre schön,
aber schon spritzt es wieder. Wir sitzen noch ein wenig vor dem Ofen,
dann beschliessen wir, uns auf's Ohr zu legen. Zum Bericht schreiben,
bin ich zu müde. Internet gibt es eh nicht.
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31.12.2018
Chaitèn nach Puyuhuapi
In der Nacht regnet und windet es derart, dass ich manchmal das Gefühl habe,
die Hütte flöge demnächst weg. Das Frühstück bekommen wir im Haupthaus beim
Patron. Es ist ziemlich einfach, aber sonst in Ordnung. Wir fahren zurück
ins Dorf und nochmals in die Beiz von gestern, da hat es Netz. So können wir
rasch Mails anschauen etc. Nun geht es weiter. Die Landschaft verändert sich
nun indem der Horizont von Schneebergen begrenzt wird. Auch links und rechts
wird der Wald nun von Felsen und etwas Schnee überragt. Es geht beständig
aufwärts und irgendwann erreichen wir den Pass, ich weiss nicht, ob er einen
Namen hat. Links und rechts der Strasse sieht es aus, wie wenn hier eine
riesige Überschwemmung stattgefunden hätte. Ein einziger Morast, die Bäume
abrasiert oder es schauen abgebrochene Stämme aus der Erde. Wir fragen
uns, was hier wohl los war. Dann geht's das Tal hinunter. Ab und zu sehen
wir auf der Seite tiefe Furchen und ein ziemlich zerstörtes Flussbett.
Unten angekommen ist ein Dorf, das wir von unserer letzten Reise kennen.
Damals sind wir von Argentinien her gekommen und wir fanden damals kein
Restaurant. Nun sind wir wieder hier, aber die Strasse, die von Futaleufú
her kommt, ist nicht da. Die Hälfte des Dorfs ist verschwunden. Es
hat zerstörte oder völlig schiefe Häuser. Nun kommt Ruedi in den Sinn, dass
er vor einem Jahr von schlimmen Überschwemmungen hier gehört hat. Wir
fahren herum und sehen die grauenvolle Zerstörungsgewalt, die hier statt
gefunden haben muss. Ein kleines Restaurant hat offen und wir bestellen
das, was uns angeboten wird. Ein Hühnerragout mit Gemüse drin und Salat
und Pommes Dauphines. Es wird frisch für uns zubereitet. Nun haben wir
Zeit, den Koch und Beizer zu fragen, was denn hier passiert ist. Offenbar
hat nach langen, und wohl starken Regenfällen Mitte Dezember 2017 ein Berg-
rutsch statt gefunden, der eine Schlammlawine auslöste, die über 8km lang
das Tal hinunter kam und die Hälfte des Dorfes weg spülte, resp. unter sich
begrub. 22 Leute verschwanden damals in Geschiebe. Die Strasse, die von
Argentinien herkommt liegt auch unter dem Schlamm. Es gibt heute einen
Beipass, der irgendwo die offizielle Strasse weiter oben trifft. Wenn
man das so sieht, wird es einem ganz schön mulmig. Traurig....
Nun sind es noch gute 100km bis ans heutige Ziel. Unterwegs wird das Wetter
etwas trockener, ab und zu sieht man die Sonne. Das kleine Café, wo wir
vor 3 Jahren waren, steht immer noch. Wir müssen uns das anschauen.
Das kleine Mädchen von damals ist nun ein flottes Schulmädchen und
die Besitzerin des Cafés ist immer noch gleich nett wie damals.
Der Betrieb scheint zu florieren, denn nun gibt es eine gedeckte Terrasse
und nicht nur 2 Tischchen mit Stühlen ohne Schutz vor Sonne oder Regen.
Und nun geht's in die letzten Kilometer. Der Weg führt entlang des
Lago Risopatron. Er wirkt sehr dunkel und nicht einladend. Aber der Himmel
und die Umgebung sind eben auch dunkel, da entsteht wohl kein schönes
hellblau :-)
In Puyuhuapy finden wir zwar das Hotel, aber es gibt keine Reception,
es regnet grad wieder Bindfäden und wir sind etwas ratlos, wie wir
uns bemerkbar machen können. Anrufen ist nicht so toll, denn das gibt
ein teures Telefonat. Ruedi trifft jemanden, der den Anruf für uns macht
und nach 10 Minuten können wir unser Zimmer beziehen. Es ist schön
gross, hat eine Küchenecke, eine Terrasse, Ausblick auf den rauschenden
Bach und den Meeresarm, an dem das Dorf liegt. Der Empfang ist freundlich,
der Ehemann der Betreiberin des Hotels ist ein deutscher Secondo. Also
hier geboren, aber die Eltern sind damals ausgewandert. Er spricht
ein gutes, aber ungewohntes Deutsch. Die Mutter aus dem ehemaligen
Pommern, der Vater vom Sudetenland. Puyuhuapi ist von Deutschen vor
dem zweiten Weltkrieg gegründet worden.
Eine gute Information auf der Webseite von Luisa Ludwig. --> Geschichte Puyuhuapi
Wie lange dieser Link noch geht ist ungewiss. Frau Ludwig hat mit
dem Hostel aufgehört und ist daran, das Haus zu verkaufen.
Nachdem wir uns eingerichtet haben, beschliessen wir, noch einen
Spaziergang durchs Dorf zu machen. Es sieht vieles gleich aus, wie
vor drei Jahren. Aber es gibt auch viele Erneuerungen. Z.B. ein
überdachtes Seniorenfitness mit einer grossen Auswahl an Maschinen,
einen neuen Spielplatz, neue Unterkünfte. Andere sind verschwunden.
Die Quartierstrassen sind ungeteert und die Häuser teilweise sehr
ärmlich. Aber das ist nicht ungewöhnlich. Es wird halt möglichst
billig gebaut und darum nicht sehr beständig. Einige Restaurants
sind offen und werben um Gäste, aber wir sind noch so satt vom
Mittag, dass wir beschliessen, eine Beutelsuppe und Brot zu kaufen.
Nachdem wir uns alles angeschaut haben, geht Ruedi zurück und ich
dehne den Spaziergang etwas aus und wandere dem Bach entlang. Es ist
wirklich sehr schön hier.
Im Zimmer kochen wir unser Süppchen und nachdem die Berichte von
gestern und heute geschrieben sind, geniessen wir noch einen Schluck vom
heute nachmittag erstandenen Maracuyá Sour (Erinnerung an Peru) und
machen uns in die Federn. Ruedi verschläft den Übergang ins neue Jahr.
Ich liege noch wach, höre die Jungen, die irgendwo im Dorf mit lauter
Musik feiern, und schlafe dann auch ein.
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